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Wintergeschichten 3

ab dem 4. März 2025

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Wohnungsbesichtigung

Ein Sperling hat sich vor dem Einflugloch auf die Stange gesetzt, steckt das Köpfchen immer wieder in das Vogelhaus hinein, dreht sich dann um und zwitschert lauthals in die Gegend. Ich höre seine Kumpels. Oder seine Auserwählte?

Die Zeit der Wohnungsbesichtigungen hat begonnen, festes Ritual der Balz. Ich synchronisiere mal: Hey, tolles Haus hier, guck mal! Vollholz, stabiles Dach. Jetzt KUCK doch mal. Der Spatz hüpft zum nächsten Haus. Oder das hier? Hiiier bin ich, haaaaallo!

Seine Angebetete hat gerade keine Lust. Oder verwechsle ich die Geschlechter? Vielleicht möchte ja ER noch nicht häuslich werden.​

Wikipedia weiß es mal wieder besser. Aber ganz falsch liege ich doch nicht! Die Sperlingsbalz beginnt damit, dass das Männchen den zukünftigen Brutplatz besetzt. Also heute. Wenn er der Dame des Sperlingsherzens gefällt - eine geschützte Lage spielt da eine große Rolle, aber auch der werbende Spatzenmann findet Beachtung - fliegen beide in das Nest oder das Vogelhäuschen ein, um sich die Räumlichkeiten mal genauer anzusehen.​

Es ist ein wirklich gutes Vogelhäuschen mit dicken Wänden und Teerpappe auf dem Dach. Der niederländische Nachbar aus der anderen Haushälfte hat es gebaut, mit viel Sachkenntnis, denn er ist Schreiner. In Rente. Deshalb hat er Zeit für Vogelhäuschen. Ich habe es zur Abendsonne hin unter das Terrassendach gehängt. Wenn das kein guter Witterungsschutz ist! Trotzdem hat die Spätzin abgelehnt. Es muss an ihm gelegen haben.​

Irgendwie sah es auch so aus, als passte er gar nicht so recht durch das Loch. Nur bis zu den Schultern steckte er drin, was die Brut natürlich wesentlich erschweren würde. Hat sich aber auch ganz schön aufgeplustert, der Kleine.

 

Im Vorgarten kann ich jetzt den ersten Blümchen beim Wachsen zuschauen. Dafür habe ich einen der Loungesessel aus seiner Winterruhe geholt. Die Schneeglöckchen blühen ja schon seit Wochen und meine Wäsche trocknet in der fliederfarbenen Krokuswiese, die von Bienen summt und im warmen Wind lustig zittert. Eine Hummel kommt herangebrummt, möchte auch mal naschen, landet und macht einen Purzelbaum, weil sie für den zarten Blütenkelch etwas zu moppelig ist. Sphinx Josh hat sich mit hineindrapiert.​

Ganz frisch dabei, gerade erst aufgeblüht, sind die ersten Frühlingsnabelnüsschen, strahlend blau, Gedenkemein werden sie auch genannt. Dazwischen sprießen Akeleien. Ich freue mich jedes Jahr, wenn die charakteristischen Blätter stark und schön wie Astrid Lindgrens Puppe Mirabell aus dem Boden herauswachsen.​

Über allem der schwache Ruf des kleinen Eulenvogels, Athene noctua. Welch großer Name für solch eine kleine Eule. Aber Weisheit, für die die griechische Göttin Athene ja steht, ist eben keine Sache von körperlicher Größe. Müde klingt das Käuzchen und müde muss es ja auch sein, kommt gar nicht mehr zur Ruhe. Wo es wohl wohnt? Ich würde es so gern einmal sehen.

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4. März 2025

Erschöpfungs-Sudoku 
mit Rote Bete-Schnitzeln

In meinem Tischkalender sind für heute Haare waschen und Einkaufen als die beiden Aktionen des Tages notiert. Zu Beginn eines jeden Monats kann ich bis zu elf solcher Aktionen auf jedem Wochenblatt verteilen. Dreimal Kochen, zweimal Haarewaschen, einmal Duschen, einmal Einkaufen, einmal Wäschewaschen, zwei Joker für Artbesuche oder Treffen mit Freunden und ein Kirchgang. Kommt etwas Unvorhergesehenes dazu, beispielsweise der Besuch des Hufschmieds oder ein Flohalarm, fällt etwas anderes aus. Zwei Tage sind durchgeixt: der Mittwoch und der Samstag, meine Ruhetage. Die Baseline, die Versorgung der Tiere und mein Frühstück, läuft durch, soweit reicht die Kraft. Fürs Putzen fehlt sie meist.​

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Stelle ich fest, dass die Rechnung nicht aufgeht, muss ich schieben, streichen, tauschen. Heute habe ich Haare waschen gegen Duschen getauscht, was unverhältnismäßig mehr Kraft zieht. Danach will ich unbedingt noch was Richtiges zu Mittag kochen, obwohl ich kaum noch stehen kann. Aber gerade, wenn man schon so schlapp und müde ist, braucht man doch etwas Nahrhaftes zu essen! Mal sehen, was noch so im Vorrat herumlümmelt... Hm, Rote Bete, Eier, Paniermehl, Dingelspaghetti,- super, das werden Rote-Bete-Schnitzel im Spaghettibett!​

Auf der Stehhilfe hängend, schneide ich von der tiefdunkelroten Rübe einen halben Zentimeter knackig dünne Scheiben ab. Dabei rinnt mir der pinke Saft zwischen den Fingern hindurch. Dann erst schäle ich sie, tunke sie in das verquirlte Ei und wende sie im Paniermehl, das mit Bertram, Galgant und Kurkuma gewürzt ist. Im langsam erhitzten Rapsöl backen die Knusperscheiben goldbraun aus. Bevor ich etwas Salz und frisch gemahlenen schwarzen Pfeffer darüber streue, lösche ich sie mit drei Esslöffeln Weißweinessig pro Pfannenladung ab. Das nimmt den Rübenschnitzeln die erdige Note.​

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Ans Spaghettinest drapiert, Petersilie drübergerieselt, ein Glas Weißwein dazu. Was willst du mehr? Eher weniger. Ob ich den Einkauf verschieben kann? Nein, kann ich nicht, sonst fehlen mir morgen Mandeln und Rosinen fürs Frühstück. Aber vorher brauche ich eine lange Nachmittagspause und nicke schon ganz bald erschöpft, satt und zufrieden ein. Und danach bastle ich am nächsten Erschöpfungs-Sudoku, schiebe, tausche und streiche.

 

6. März 2025

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Kurz und schmerzlos

Das darf doch wohl nicht wahr sein! Endlich hat man seine Sommerliebe von sich selbst und diesem unglaublich schönen Häuschen in allerbester Lage überzeugen können. Gut, sie wollte noch ein paar andere Objekte besichtigen. Doch dann sind sie zurückgekehrt. Siehst du? Qualität setzt sich immer durch.

Und dann... - Es ist nicht zu fassen! - ... passt der Spatzenmann nicht durch das Einflugloch hindurch. So einfach gibt er sich aber nicht geschlagen, quetscht sich so weit hinein, wie es nur irgend möglich ist, bis zum runden Bäuchlein, strampelt mit den Beinen in der Luft herum, der Schwanz zappelt aufgeregt auf und nieder. Nochmal raus und neuen Anlauf nehmen, schieben, wackeln. Es ist wirklich nichts zu machen. 

Das Nachbarhaus ist nicht so stabil, kleiner, ohne Freisitz mit Stange. Aber er passt hinein. Nun gut, besser als ein Nest in der Hecke, das beim nächsten Frühlingssturm den Elementen ausgesetzt ist. Und er kann das Dach seines Lieblingshäuschens darunter sogar als Terrasse benutzen. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht.

Jetzt muss SIE noch überzeugt werden. Sie ist nämlich schon wieder davongeflogen. Er ruft, pfeift und zwitschert, muss ihr wohl hinterher. Er hat Spatzi nicht im Griff.

Dabei sind die Vogelhäuschen gefragt. Ein Blaumeisenpärchen war schon da und hat sich das Haus der Spatzenträume angeschaut.

Das Rotkehlchen auf dem Zaun rund um die Terrasse schaut alldem interessiert zu. Ob es auch die etwas peinliche Zappel-Szene beobachtet hat? Hat es. Und ich ja auch, von meinem schönen Plätzchen im Tagesbett aus.

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Zur Hunderunde fahre ich mittags eine lange Zufahrt ins Feld an, in der ich Lotta und Josh herumstrolchen lassen kann, während ich mitten auf dem sonnenwarmen Weg sitze. Die Beine tun so weh.

Wenn Weidenrinde Rosalie und Lotte bei Beinweh hilft, dann vielleicht auch mir? Am Eselstall wurde gerade erst die Böschung am Bach geschnitten. Haufenweise Hasel- und Weidenzweige liegen dort herum, von denen ich mir einen großen Strauß Kätzchen für die Vase schneide. Die Stücke, um die ich die Zweige zu Hause einkürze, sind ab sofort mein Weidenrindenvorrat, von dem ich mir für eine Teekanne voll zwei Stück mit einer stabilen Messerklinge entrinde. Einen Tee mit einem Esslöffel voll aufgegossen und...? Abwarten beim Teetrinken.

Als ich drei Stunden später zur nächsten Hunderunde aufbreche, den Fußweg im Feriendorf bergauf nehme, habe ich KEINE Schmerzen! Ganz seltsam fühlt es sich an, denn die Müdigkeit in den Beinen ist immer noch da. Sie ohne das Ziehen und Kribbeln zu spüren ist ungewohnt. Ich wusste nicht, dass die Symptome auch getrennt voneinander funktionieren.

 

7. März 2025

Frühlingsgefühle

Dieser Spatz gibt einfach nicht auf. Während meiner Vormittagspause kommt er schon wieder angeflogen, hämmert und pickt mit seinem stabilen Schnabel rund um das Einflugloch feste auf das Holz. Während seine Frau bereits im Spatzenhaus zweiter Wahl aufräumt - die Vormieter haben Unrat hinterlassen - will ihr Mann mit dem Dickkopf durch die Wand. Wenn das mal keine Kopfschmerzen gibt!

Viel Zeit, ihm zuzuschauen, bleibt mir heute nicht.

Mein Tischkalender weiß, dass ich heute Haare wasche und die Esel Gäste erwarten. Die erwachsenen Töchter haben ihrem Vater zum Geburtstag einen Eselspaziergang geschenkt.

 

Ein Eselmensch, das stellt sich schon bei der Begrüßung heraus. Dass Lotte nicht an der Stirn gekrault werden möchte, sieht er an der Stellung ihrer Ohren. Sie fühlt sich unwohl, die Berührung des Gesichtes ist eine intime Geste, wie beim Menschen auch. Vielleicht am Ende des Spaziergangs, tröste ich ihn.

Erst einmal werden jetzt Bürsten verteilt und als ich seinen Töchtern noch erkläre, dass das Fell in Wuchsrichtung gebürstet wird, kniet Papa mit der weichsten aller Bürsten vor Lotte, streicht ihr zärtlich über die Wangen, während das bockige Eselchen sich lammfromm mit halb geschlossenen Augen an den Papa kuschelt.

Wer heute Lotte führt, ist schonmal klar. Eine Tochter auf der anderen Seite, spaziert das Lotteteam heute ohne jeden Ausreißer davon. Rosalie bekommen die Schwester und ihre Freundin und Rosalie ist eben Rosalie, geht dahin und wartet nur ab und zu, dass Lotte wieder aufschließt. Mehr will sie gar nicht, als dass Lotte nah bei ihr ist. Ja gut, sie wäre auch gerne Mama, da bin ich mir ganz sicher. Aber das geht leider nicht. Sie hatte, bevor sie zu mir kam, eine Totgeburt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das wiederholt, ist groß. Manchmal klappt es einfach nicht mit dem Kinderkriegen. Inzwischen wurde eine Autoimmunerkrankung bei ihr festgestellt, die möglicherweise dafür verantwortlich ist.

Deshalb ist und bleibt eben ihre kleine Schwester ihr Baby. Irgendwo muss die Mutterliebe hin.

Als ich am Ende des Dorfspaziergangs an diesem herrlich warmen Frühlingstag die glückliche Familie frage, was sie von ihrer Zeit mit den Eseln mitnimmt, sagt der Papa Die Esel. Und die Mama träumt von einem Häuschen im Dalheimer Feriendorf, durch das wir gewandert sind.

 

8. März 2025

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