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Frühlingsgeschichten

vom 12. April bis 8. Juni 2025

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Enttäuschungen

Seit drei Wochen weiß ich, dass aus meiner Arbeit als Seelsorgliche Begleitung bei meinem alten Arbeitgeber nun doch nichts wird.

Nach dem sehr kurzen Telefonat blieben erst einmal Fragen offen.

Die Hunde mussten trösten. Das Lottchen kam gerade so passend aus dem Schlafzimmer gebummelt. Hochgehoben, Gesicht reingedrückt, Enttäuschung weggeweint.

Enttäuschung heißt, dass man sich in jemandem oder etwas getäuscht, sich etwas vorgemacht hat und jetzt klar sieht.

Gut, akzeptiere ich die Absage für meine Verhältnisse erstaunlich schnell, dann ist das nicht mein Weg. Und zu meiner Überraschung bin ich seit langem wieder gespannt auf mein Leben, so wie ich es von ganz früher kenne, als ich erst nach der Schule und dann nach dem Studium in meine Zukunft startete.

Wenn nichts sicher ist, ist alles möglich.

12. April 2025

Schrumpfendes Gehirn

Das hätte ich vielleicht lieber nicht gewusst:

Forschende haben entdeckt, dass bei Patienten mit ME/CFS das Gehirn schrumpft und zwar in dem Bereich, der für Entspannung und Regeneration sorgt.

Ein Durchbruch in der Forschung, schreibt die Presse. Ich habe an ihm ein paar Tage zu knabbern. Beim ersten Lesen bleibt vor allem SCHRUMPFENDES HIRN hängen. Hm.

Beim zweiten Lesen dann der Zusatz, dass der Teil schrumpft, der für das Ausruhen und Kraftschöpfen zuständig ist. Dann die zerbrochenen Brücken zwischen Stammhirn, Kleinhirn und Rückenmark, das sind auch Durchbrüche.

Es leuchtet mir ein, dass das Problem genau in diesem Bereich des Gehirns liegt, weil es so viele Symptome im ganzen Körper verteilt gibt. Der Freundin aus Münster fiel ja schon früh auf, dass das Post Covid-Syndrom die Schwächen der Menschen angeht. Das ist hiermit bestätigt. 

 

Ich finde es jetzt doch ganz gut, meinen Feind zu kennen, ein Bild davon zu haben. Wie sehen diese Brücken wohl aus? Ich habe die Brücke im chinesischen Garten des französischen Impressionisten Claude Monet vor Augen, elegant über den berühmten Seerosenteich gewölbt, aus stabilem Holz, rot gestrichen. Ich habe sogar schon darauf gestanden. Es war etwas ganz besonderes, in diesem kleinen Paradies, das auf so vielen Gemälden in der ganzen Welt zu sehen ist, in Giverny auf der Brücke zu stehen. Vielleicht steigt sie deshalb jetzt in meinen Erinnerungen auf. Wirklich rot? Auf dem Gemälde ist sie es nicht.

In meinem Kopf rückt jetzt ein Trupp freundlicher kleiner Playmobil-Bauarbeiter an mit glänzend roten und gelben Helmen auf dem Kopf und Spitzhacken in den Händen. Unermüdlich hämmern, sägen und schrauben sie, um die Brücken zu reparieren.

Die Spitzhacken wollen - zugegeben - nicht so recht ins Bild einer Holzbrückensanierung passen, gehören wohl eher in den Bergbaubetrieb der Sieben Zwerge. Vielleicht eine Anleihe aus Kindermärchenzeiten. Jedenfalls sind sie da, ganz eindeutig, und werden feste geschwungen da oben in meinem geschundenen Gehirn.

16. April 2025

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Brennnesselquiche

So lecker! Erst ein paar warme Tage, dann endlich kräftiger Regen haben die Brennnesseln so richtig ins frische Grün getrieben. In einem verlassenen Hochbeet wachsen sie frühlingsfrisch und noch zart, pinkelfrei und ohne Schneckenfraß, - heute ist ein guter Tag für eine Brennesselquiche. Etwas Mangold vom letzten Jahr hat auch neu ausgetrieben und ein paar der im Oktober gesäten Spinatsamen haben appetitlich knackige Blätter bekommen. Insgesamt 400g der drei Blattgemüse pflücke ich und zupfe sie mir zurecht, dazu ein paar Blätter Roter Melde, die in den letzten Tagen ebenfalls einen ordentlichen Wachtumsschubs bekommen hat.

Die andere Freundin aus Münster ist über Ostern zu Besuch gekommen, hat eine Freundin mitgebracht. Zusammen haben sie ein Ferienhäuschen gemietet, damit ich meine Pausen machen kann. Während sie das Haus beziehen, mache ich den Teig aus 125g weicher Butter, 100g Quark und Dinkelvollkornmehl (wieviel nochmal?), der eine halbe Stunde kühlen muss, bevor ich damit die kleine Springform auskleide.

In der Zwischenzeit dünste ich kurz die gehackten grünen Blätter und 3 Zehen gequetschten Knoblauchs in etwas Speiseöl an. Dann muss das Gemüse abtropfen, um den Teig später nicht zu verwässern. Ein tolles Rezept, bei dem man immer Zeit für die nächsten Schritte hat. So wird auch der Teig in der Springform bei 180 Grad vorgebacken und dann erst mit dem abgetropften Blattgemüse und den ungekochten Meldeblättern gefüllt. Das Ganze übergieße ich dann mit einer Mischung aus 150g saurer Sahne, 3 Eiern, Muskatnuss, Salz und Pfeffer. Das kann schonmal im Ofen losbrutzeln. Ich röste noch schnell Bärlauchknospen, mische sie mit geriebenem Bergkäse, Feta, Gundelrebe und Bärlauch, die auf dem heißen Gericht verteilt werden und beim Weiterbacken schon wieder so einen verführerischen Duft verbreiten. Als die Eiermasse gestockt ist, so ungefähr nach einer halben Stunde, serviere ich, nicht ohne noch ein paar Gundelrebblüten darüberzustreuen, die gerade Hochsaison haben und sich an meinen Hochbeeten hinaufrebeln.

Ist wirklich lecker! Wein dazu, verstummen, genießen!

18. April 2025

Schneckentempo

Die beiden sind fast gleich auf, die weiße hat ein winziges Stückchen Vorsprung vor der braunen. Nach einem Schneckenrennen sieht es trotzdem nicht aus, eher nach einer langen Ruhepause, die geschnirkelten Schneckenhäuser wie Rucksäcke auf ihren Rücken lastend.

Die beiden Weinbergschnecken haben sich einen schweren Weg vorgenommen: hundert Prozent Steigung einen gefällten Baumstamm hinauf, der mit einer dicken Schicht weichen Mooses überwachsen ist. Das macht es den beiden vielleicht so schwer.

Wunderschön sind sie. Schwänli und Bärli muss ich denken, schwanenweiß und bärenbraun wie die Ziegen von Johanna Spyris Heidi oben in den Schweizer Bergen beim Almöhi, ihrem Opa. Hörner haben sie auch, ganz weich, nicht zum Stoßen, sondern Fühlen und Schauen, denn ganz oben auf den Spitzen sitzen die Augen. Schneckchen Schwänli zieht ihre gerade ein. Bin ihr wohl zu nahe gekommen. Wen sie nicht sieht, der sieht sie nicht?

Warum die beiden wohl gerade diese Strecke wählen? Vielleicht suchen sie ein geschütztes Fleckchen weicher Erde, um ihre Eier abzulegen? Da wären sie hier am lichten Waldrand, genau hinter dem Baumstamm, gerade richtig.

Ich weiß so wenig über Weinbergschnecken. Zum Beispiel, dass auf ihrer Zunge 40.000 Zähnchen sitzen, mit denen sie ihre Nahrung raspeln, dass das berühmte Schneckentempo je nach Außentemperatur durchschnittlich sieben Zentimeter pro Minute beträgt oder dass sie nur in Gegenden mit Kalkstein leben, wie er ja in Weinbergen vorkommt. Und an den Hängen des Altenautals! Denn nur dort enthält auch die Erde genug Kalk, mit dem die Gehäuse gebildet und repariert werden.

 

Wenn man nur lange genug sinnierend in der Natur herumsitzt, nimmt sie einen irgendwann in sich auf. Schließlich ist man den Krabbeltieren im Weg! Aber statt sich um die riesigen Menschen herumzumühen, marschieren sie einfach über einen hinweg. So wie jetzt die kleine grüne Raupe, die an mir emporklettert, vorne und hinten sechs Füßchen, dazwischen das Stück, dass sich aufbäumt, wenn sie das Hinterteil heranzieht. Danach stellt sie sich auf die Hinterbeine, schwenkt das Vorderteil in alle Richtungen, trifft anscheinend mit Bedacht ihre Entscheidung, wo sie es wieder aufsetzen möchte. So behutsam geht sie vor. Was möchtest du denn mal werden, wenn du groß bist, hm? Ein kleiner Käfer? Ein Schmetterling? Ach nein, das sucht man sich nicht selber aus als kleine Raupe. Es ist längst festgelegt: ein Nachfalter, die Gammaeule.

24. April 2025

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Zart und klein

Ganz zart piept es aus dem Vogelhäuschen, die Spatzenbabies sind geschlüpft, das Wunder neuen Lebens. Wie gerne würde ich jetzt auf der Terrasse sitzen bleiben, bei der Fütterung zusehen und den winzigen Piepern lauschen. Aber ich weiß, wann ich störe. Die kleine Familie braucht jetzt Zeit für sich und ich könnte sowieso wieder eine Pause auf dem Tagesbett gebrauchen.

Die Terrassentür darf offenbleiben, das haben die Flattermänner akzeptiert, und Josh darf sich sogar draußen sonnen. Wann die Kleinen wohl flügge werden? In zwei Wochen schon soll es soweit sein, gerade dann, wenn ich in der Wildeshauser Geest ein paar Urlaubstage verbringe. Wie schade. So gerne hätte ich gesehen, wie ein Flauschküken nach dem anderen aus dem Nistkasten und in den Flugkindergarten hüpft. Aber wenn ich Glück habe, brüten sie mehrmals und ich darf dem nächsten Gelege bei der Flugstunde zusehen.

27. April 2025

Nachsorge

Ein unglücklicher Josh bekommt gerade eine leichte Sommerfrisur, als seine Rettung naht. Eine Frau verlangt Zutritt zum Eselgarten, sucht am Gartenzaun entlang nach dem Eingang. Es scheint dringend. Weil der Eselgarten aber rundum so wunderbar zugewachsen ist, erkenne ich sie gar nicht.

Der kleine Hund ist mit einem langen Satz vom Tisch am Hundezaun.

Wer bist du denn? rufe ich, mich durch den Hundezaun zur Eselfläche durcharbeitend, Destination Gartentörchen.

Weil Josh lauthals Alarm bellt, verstehe ich die Antwort nicht, und selbst als sie, umringt von drei zauberhaften Kindern, vor mir steht, weiß ich überhaupt nicht, wer sie ist. Noch bevor ich fragen kann, reißt sie mich in ihre Arme, den Stromzaun zwischen uns ignorierend. Wie geht's dir denn? Ich bin die Verkäuferin aus dem Edeka!

Wie lieb ist das denn bitte?! Sie hatte für mich mit meinem Handy die Eselfütterung organisiert, während wir zusammen auf den KTW warteten. Da hatte ich gedacht, das kann doch nur hier sein! erklärt sie, wie sie mich gefunden hat.

Sie fahren doch schon seit Jahren mit ihren Rädern durch das Altenautal zur Eisdiele nahe der Flußmündung - oja, das war von Anfang an auch mein Lieblingsausflug - und der Stopp am Eselgarten sei immer das Highlight. Ob sie jetzt wohl mal die Esel streicheln dürfen, wünscht sich die Kinderschar?

Flugs ist der Strom ausgeschaltet und der jüngste Sohn über die Litze gehievt. Die anderen beiden schaffen es ohne Hilfe. Natürlich dürfen sie die Esel streicheln und die beiden Eseldamen sind heute genauso neugierig wie die Kinder.

Nur Josh findet das überhaupt nicht lustig. IMMER werden NUR die Esel gestreichelt, er dagegen NIE, wirklich niemals nie! Das ist so fürchterlich ungerecht. Entsprechend groß ist das Theater, das er macht und - oh glücklicher Hund - Lotta und Josh finden Beachtung. Die Kinder umarmen sie genauso warmherzig wie die Mama eben mich. Mit einem Augenaufschlag, den wirklich nur so ungefähr vierjährige Jungs hinbekommen, verleiht der kleine Knirps seiner gerade erst entstandenen Herzensbitte Nachdruck: Ich möchte auch so einen kleinen Hund haben. Als er seine Wange in Josh's Fell schmiegt und der sich ihm so ganz und gar hingibt, bin ich drauf und dran, über ein neues Zuhause für meinen kleinen Hundejungen nachzudenken, das ihm gerechter wird als mein müdes Krankenheim. Aber nein. Er bleibt natürlich bei mir, auch wenn mir die Tränen aufsteigen angesichts dieses rührenden Stilllebens.

So schnell, wie dieses kleine Glück über uns hereingebrochen ist, ist es auch schon wieder verschwunden. Der Papa wartet am Zaun bei den Fahrrädern, ab zur Eisdiele. Ob der Jüngste heute Abend beim Gutenachtkuss von der Mama nochmal auf diesen kleinen Hund im Eselgarten zu sprechen kommt? Ich jedenfalls werde noch lange an diese Familie denken.

27. April 2025

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Ein Lächeln

Schon zum dritten Mal bin ich im Altenheim, nicht bei meinem Arbeitgeber, sondern in einer Einrichtung im idyllischen Nachbartal. Hier arbeite ich jetzt ehrenamtlich eine Stunde in der Woche.

Die Bewohnerin lächelt, ganz kurz nur, aber es zeigt sie noch einmal, wie sie gelebt und gelacht haben mag. Erinnert sie einen lustigen oder liebevollen Moment?

Sie stirbt, die Augen sind geschlossen, der Mund weit geöffnet, weshalb schon vor vielen Jahrhunderten Menschen glaubten, der Geist entweiche durch die Mundöffnung. Das Märchen vom Dörnröschen lese ich ihr vor, von einem jungen Mädchen, das verflucht ist zu sterben. Eine weise Frau kann den Fluch gerade noch abbiegen, nicht aufheben aber in einen Segen verwandeln: Sie schläft nur.

Sie schläft nur. Die Worte Jesu, bevor er die verstorbene Tochter des Synagogenvorstehers ins Leben zurückholt (Matthäus 9,18f, Mk 5,21f, Lk 8,40f). Sind Märchen von der Bibel inspiriert? Jedenfalls kommt Leben in die Sterbende, als sich die Erzählung ihrem Höhepunkt nähert. Der Prinz überwindet die Dornen, die Rettung des schlafenden Mädchens steht kurz bevor. Da verändert sich die Atmung der Bewohnerin, wird schwerer, setzt immer länger aus ... neun, zehn, elf Sekunden ..., erholt sich wieder für kurze Zeit, vor der nächsten Atempause. Es ist ein Kampf, wenn Geist und Körper sich voneinander trennen, das nächste Leben schon wartet.

Das Märchen lege ich jetzt beiseite. In diesen heiligen Momenten, wenn der Himmel sich öffnet, lese ich nicht mehr, sondern halte wartend mit ihr Ruhe. Biete meine Hand, lege zwei Finger in ihre. Nicht festhalten, nur spüren lassen, dass ein Mensch da ist. 

Ihre Hand ist kühl, macht winzigste Bewegungen auf meine Finger zu.

 

Während sie der Unendlichkeit entgegen geht, wird meine Zeit knapp.

Ich habe nur eine Stunde, bevor ich zum Arzt muss, meine Leberwerte sind nach einer Gallenkolik exorbitant hoch. Deshalb wird er mich ins Krankenhaus einweisen. Aber diese eine Stunde habe ich noch.

30. April 2025

Garten zum Mitnehmen

Unter dem Flieder tiiiief einatmen, die Lungen mit Eselgartenduft füllen, bevor ich mich wieder in den Krankenhausmief zurückziehe. Über den Maifeiertag war ich auf Heimaturlaub.

Gegenüber ein großer Fleck knospenden Waldmeisters. Schnell ein paar Zweiglein gepflückt und mit in den Rucksack gesteckt. Ich freue mich schon darauf, an dem Sträußchen zu schnuppern, wenn ich im Zimmer liege, die Bettnachbarin zur einen Seite ein wenig dünstet und die andere partout nicht bei geöffnetem Fenster liegen kann.

Dann nochmal den Kohlrabi getränkt, damit er nicht verholzt, bis ich wieder hier bin. Ich freue mich schon so auf ihn. Zwar werde ich ihn nicht mehr panieren und braten, solange meine Gallensteine klimpern, aber dünsten und unter den Dinkelcouscous mischen, den mir die Freundin aus dem Nachbardorf geschenkt hat und der mit Brühe um Klassen besser schmeckt als es vielleicht klingen mag!

Bis dahin sieht er einfach nur hübsch aus und man kann ihm beim Wachsen zusehen. Zart, lila, hier und dort sind Tropfen vom Gießwasser hängengeblieben, in denen Sonnenlicht funkelt.

Ein paar Fotos davon trösten mich, als ich vom Warteraumfenster aus in den menschenfeindlichen Betonschacht schaue. Forschungen haben nachgewiesen, dass Kranke mit Blick in die Natur schneller gesunden. Zur Not tun es auch Kohlrabifotos.

Noch 10 Minuten...

 

... dann geht alles ganz schnell: Hemdchen an, Zugang gelegt, Mundsperre an den Kopf geschnallt, in stabile Seitenlage gedreht, gleich schlafen sie ein...

... und werden auch nach drei Stunden nicht so richtig wieder wach. Chronische Erschöpfung eben. Aber vier Stunden später klärt sich der Verstand. Zuerst der prüfende Blick aus dem Fenster: sehe ich Pflanzen? Nein, das triste Dach eines Krankenhausflügels mit Lüftungschacht und drückend heißem weißen Himmel darüber. An den Waldmeister komme ich noch nicht heran, weil ich liegen bleiben muss. Also muss es der Kohlrabi bringen! Ist wirklich hübsch und die Wassertropfen vermitteln Kühle.

Eine weitere Stunde später erinnere ich mich, dass ich gestern Abend Vogelstimmen im Wald aufgenommen habe. Jetzt halte ich sie mir ganz nah ans Ohr, lausche aufmerksam und höre sogar mein kleines Lottchen knurren, weil ich minutenlang beglückt das doofe Handy in die Luft streckte statt mich um sie zu kümmern, obwohl sie doch das Allerwichtigste auf dieser Welt ist, findet sie. Jetzt beglückt mich dieses ungehaltene Knurren mehr als jedes Vogelpiepen!

Und genau jetzt in diesem Moment erfahre ich, dass meine Zimmernachbarin Goldhähnchen mit Nachnamen heißt! Den Namen habe ich geändert, aber es ist ein Singvogel, wie wunderschön. Ob sie zwitschert?

2. Mai 2025

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Selbstfürsorge

Das Goldhähnchen muss ganz fürchterlich dringend ins Schlaflabor. Ich mache mir Sorgen, dass es nachts erstickt.

Zum Wachwerden gibt es wieder einen Zug Waldmeister und eine Minute Vogelgezwitscher mit Lottaknurrer vom Band. Jetzt, wo ich mich aufsetzen darf, schaue ich tatsächlich über die alten baumbestandenen Gärten der Stadt mit riesigen blühenden Kastanien darin.

Für das Frühstück habe ich mir ein geblümtes Deckchen aus dem Eselgartenfundus mitgebracht, das putzt! Es lässt milde darüber hinwegschauen, dass ich lauter Sachen zu essen und zu trinken bekomme, gegen die ich eine Unverträglichkeit habe, obwohl es abgefragt wurde.

Hier habe ich auch gelernt, dass man auf Fragen, zum Beispiel wann man entlassen wird, meistens die Antwort bekommt: Ich frage mal nach. Die Kollegin, den Arzt. Auch habe ich gelernt, dass man danach meistens KEINE Rückmeldung mehr bekommt. Wenn man nachhakt, lautet die Antwort: Hat der Kollege nichts gesagt? Hat er nicht.

Ich fange an zu nerven, obwohl, ja, der Patient, direkt aus dem Lateinischen übersetzt, der geduldig Leidende sein sollte. Aber wenn man ein Heer Helferlein koordinieren muss, das sich um vier Tiere und um mich kümmern möchte oder soll, braucht man Klarheit. Man kann nicht stündlich Fütterer, Gassigeher und Fahrtbereite abrufen. Nicht nur die Mitarbeiter eines Krankenhauses haben viel zu tun.

 

12:15 Uhr

Die Teebar ist hier mein Lieblingsort. Direkt nach der Kapelle. Nur kommt man nicht in die Kapelle, wenn man so dringend auf eine Rückmeldung vom Arzt wartet, die man unter keinen Umständen verpassen möchte. Da liegt die Teebar direkt am Stationspunkt strategisch besser. Und dort höre ich jetzt unbeabsichtigt, aber durchaus interessiert im Gespräch zweier Pflegekräfte, dass die Ärzte jetzt immer schon um zwölf nach Hause gehen. Als die beiden das verpackt haben - ich muss auch schlucken - machen sie sich auf zur letzten Runde ihrer Schicht und stoßen fast mit mir zusammen. Da entspannt sich folgendes Gespräch:

Pfleger: Sie bekommen um acht Uhr ein Schmerzmittel.

Ich: Ich bekomme ein Schmerzmittel?

Pfleger: Ja, um acht Uhr morgens bekommen sie ein Schmerzmittel.

Ich: Aha.

Pfleger: Haben sie Schmerzen?

Ich: Nein.

Pfleger: Dann brauchen sie ja gar kein Schmerzmittel.

Ich: Nein.

Pfleger: Es ist ja auch schon zwölf.

Ich: --

Meine Entlassung habe ich auch verpasst. Der Arzt ist ja schon weg.

3. Mai 2025

Hospitalflucht

Ich habe mich schließlich aus dem schockierenden Krankenhausaufenthalt selbst entlassen. Es sind Sachen passiert, die nicht passieren dürfen, von der Gabe falscher Medikamente über eine erstickende demente Bettnachbarin, auf deren Klingeln niemand erschien - da habe ich zum zweiten Mal in meinem Leben um Hilfe gerufen, weil ich, noch halb sediert, nicht aufstehen konnte - bis hin zu verrutschten Zugängen, durch die die Medikamente ins Gewebe fließen, obwohl man darauf aufmerksam macht. 

Krankenhäuser brauchen ganz dringend Alltagsbegleiter wie es sie in Altenheimen gibt, die Zeit haben, dementiell veränderte Bewohner beim Essen und allen anderen Alltagshandlungen zu unterstützen, und die Pflegekräfte dadurch entlasten.

Zurück zu Hause empfängt mich meine Schwester, die für die letzten drei Tage bei mir eingezogen ist, damit die Hunde nicht allein sind. Sie hat mir damit meine aller größte Sorge abgenommen. Die körperlichen Beschwerden waren nicht halb so schlimm wie sie.

Was ist es schön, wieder zuhause zu sein, so friedlich, geradezu idyllisch, eine Oase. Hatte ich in der letzten Zeit irgendwie vergessen, aber die verstörenden Tage in der Klinik haben den Blick darauf wieder zurechtgerückt.

Im Vorgarten sind die ersten Akeleien aufgeblüht, meine wohlgehüteten Lieblinge im Beet. Ab jetzt beginnt der Farbenrausch. Jeden Tag öffnen sich weitere Blüten. Welche Farben sie haben, ist immer eine Überraschung.

Der blaue Lein zeigt, wo er in diesem Jahr seinen Platz gefunden hat. Die Saat wandert seit Jahren durch das lange Beet unterhalb der Terrasse und blüht, sobald die Lenzrosen ihre Samenstände ausgebildet haben.

Die Lichtnelken und Apothekerrosen sind noch nicht so weit, versprechen aber schon bald fröhlich rote Tupfen allüberall. Wie ich mich darauf freue!

4. Mai 2025

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Wildeshauser Geest

Urlaub!

Wir haben es gut angetroffen mit dem Ferienwagen in der Wildeshauser Geest. Das baumbestandene Grundstück ist mit Staketen umzäunt, genau so wie meine Hundegärten zuhause, nur weitläufiger und voll fremder interessanter Düfte. Für Lotta und Josh waren ihre Versorgung und meine Krankenhausaufenthalte ja völlig unberechenbar, deshalb stressig und hat bei beiden zu Magenschleimhautentzündungen geführt. Jetzt bleiben wir erst einmal zusammen und ganz viel draußen im sinnig warmen Garten.

Überall hängen Nisthilfen und Futterstationen an den Bäumen und für mich gebt es mehr Sitz- und Liegegelegenheiten in diesem wundervollen Naturgarten, als ich in vier Tagen jemals besitzen kann. Hier werden wir uns alle drei gut erholen können.

Ich beginne damit sofort nach dem Auspacken auf der Holzterrasse mit dem  gemütlichen Schaukelstuhl bei einer Kanne Kamillentee, zubereitet in der herzallerliebsten kleinen Küche, der es an nichts fehlt. Schonkost ist angesagt, weil es in der Gallenblase noch rumpumpelt wie die Wackersteine im Bauch von Rotkäppchens Wolf.

Die beliebteste Vogelfutterstation habe ich von hier aus bestens im Blick. Das sternenfunkelnde Federkleid der Stare schillert, als sie sich flatternd am Rand festkrallen, um zu naschen. Was für ein bezaubernder Ort, wie aus der Welt gefallen.

Mit einem etwas schlechten Gewissen denke ich an meine Eselhelfer zu hause, die eine weitere Runde einlegen, damit ich noch ein paar Tage Urlaub machen kann. Ich hätte Rosie und Lotte jetzt auch gerne bei mir. Dieser Ort, diese Landschaft wirken sogar wie geschaffen für die Equidenhaltung. Die Geest ist sandig. Die Felder sind es auch. Beschädigt man die Grasnarbe, quillt sofort der Sand heraus. Hier müsste ich keinen künstlichen Eselstrand schaffen, träume ich meine Langohren herbei, und ich selbst, das merke ich schnell, kann hier viel weiter schmerzfrei laufen. Es ist eben eben.

8. Mai 2025

Suche nach Moor

Der frühe Morgen ist kalt. Da kuschelt es sich nochmal so gut in dem herrlich weichen Bett, von dem aus man durch das runde Riesenfenster über die Felder hinterm Gartenzaun schauen kann. Wenn man denn die Augen öffnen möchte. Ich möchte es nicht. Das Lottchen musste heute Nacht dreimal raus, mal zum Spucken, mal zum... naja... Sie zittert wieder. Das kann ich überhaupt nicht ertragen und obwohl ich mir nicht sicher bin, ob es durch die Kälte draußen verursacht wird - es ist nur vier Grad kühl - oder doch vom wehen Durcheinander in dem kleinen Hundebauch, zünde ich vorsorglich den Holzofen an. Ruckzuck ist die Bude warm. Frühstück gibt es nach der Hunderunde am Ofen und dann bin ich auch schon wieder so müde, dass ich zurück ins Bett sinke.

Der Eingriff war anstrengend für den Körper, auch wenn mein Bewusstsein dabei geschlafen hat. Er crasht und erholt sich nur schwer. Die zerbrochenen Brücken im schrumpfenden Gehirn.

Erst nach Mittag werde ich richtig wach und schaue mir den Stadtplan der Samtgemeinde an. Viel Moor ist da eingetragen. Jetzt müsste das Wollgras "blühen". So ein Bummel über Holzstege, hier und da Bänke zum Ausruhen, darunter modriges Wasser, die Luft schwirrend von Libellen und zu beiden Seiten das blühende Moor, wie ich es aus der Lüneburger Heide kenne, wären jetzt genau das richtige!

Bald schon fahren wir alle "Moore" ab, aber es ist keines zu sehen. Die Fluren heißen noch so, auch wenn die Feuchtgebiete längst trocken gelegt sind. Nur eine winzige Stelle auf der Karte zeigt mehr Striche, da könnte noch ein Rest herumrumooren. Nicht einfach zu finden, es führt kein Weg dorthin, ich balanciere zwischen den Feldern, mit Josh an der strammen Leine und dem Lottchen, das nicht fressen und nicht laufen mag, im Rucksack.

Da hinten ist doch nur ein kleines Wäldchen. Soll ich umkehren? Wer weiß, wie weit die Kraft reicht. Aber nein, ich will jetzt Moor, werfe einen Blick in den Wald und sehe... Wasser. Alle Bäume haben nasse Füße. Daneben, zwischen Wald und Feld, breitet sich eine Spiegelfläche aus, in der die Bäume auf dem Kopf stehen. Verkrustete Schlammschlieren, vom Wind in runzelige Falten zusammengeschoben, wirft am Rand des Wassers Blasen. Gase steigen auf, hier wird Biomasse zersetzt. Schwefelgelb bis Tiefdunkelgrau schwimmt die dicke Haut auf dem Wasser, irgendwo quakt ein Frosch. Josh sieht das Wasser gar nicht, möchte weiter und landet mit den Pfötchen in einer dicht dunkelbraunen Fangopackung. Gut, dass ich ihn an der Leine behalten habe. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn herausfischen könnte, wenn er ungebremst in den Sumpf geschossen wäre. Moor gruselt und fasziniert.

9. Mai 2025

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Neuer Lieblingsplatz

Immer wieder Flatterband und Hinweistafeln, die vor dem Eichenprozessionsspinner warnen. Ein Wermutstropfen in dieser Landschaft voll knorriger Eichen, die doch eigentlich so viel Kraft und Standfestigkeit vermitteln.

Das immer noch kränkelnde Lottchen, Josh und ich sind im Mini-Urwald Barneführer Holz unterwegs. Das Forstamt Ahlhorn hat insgesamt 200.000 Bäume zu Habitatbäumen erhoben. Das bedeutet, dass sie nicht genutzt werden - versprochen! - sondern ihr Leben lang in ihrem Wald herumstehen, wachsen und sterben dürfen.

Dazwischen ein richtiger Waldweg, nicht geschottert wie bei uns zu Hause, wo scharfe Steinkanten in Pfoten schneiden und sich in kleinen Eselhufen verkanten, sondern duftend weich.

Josh flitzt, soweit die Leine es ihm erlaubt, kreuz und quer über den Weg, auf den fremde Tiere betörende Duftspuren gelegt haben.

Ganz bald schon, fatiguefreundlich, öffnet sich unter schiefen Bäumen ein wunderschöner Badeplatz an einer Biegung der Hunte. Viel Sand hat sie hier herangeschwemmt. Man muss einfach seine Schuhe ausziehen und die Zehen in den Sand einsinken lassen.

Eine Familie bricht gerade nach Hause auf. Die Kinder haben leidenschaftlich Borkenschiffchen ins Wasser gesetzt und ihre Fahrt, so weit es ging, am Ufer begleitet. An den verknoteten Tauen, mit denen man sich ins Wasser schwingen kann, haben sie heute wegen der fiesen Raupen aber nicht geturnt.

Ich finde meinen Sitzplatz etwas abseits, werde ganz still an diesem uralten Ort, an dem ich nur dem goldglitzernden Wasser beim Fließen zuschauen möchte. Ich könnte wetten, dass in der Abbruchkante am Ufer gegenüber Eisvögel leben.

Das Lottchen will sich hier auch ein wenig umschauen, krabbelt aus ihrem Rucksack, kostet das klare Flusswasser und schließt Freundschaft mit einem jungen Mann, der nach uns gekommen ist. Er hat eine Salami dabei, von der er sich mit einem Taschenmesser dicke Scheiben abschneidet, toller Typ, findet Lotta!

Apropos, das Highlight des Tages wartet am Nachmittag am Ferienwagen auf mich. Mein ältester Stiefsohn, wenn ich das mal so unkompliziert genitivfrei ausdrücken darf, der in Oldenburg studiert, kommt mich besuchen. Wir erzählen so lange, bis ich nicht mehr kann, und ich für mein Teil kann das Staunen nicht lassen. Wann ist er erwachsen geworden? Wäre er mein Sohn, wäre ich jetzt zum Heulen stolz auf ihn.

 

10. Mai 2025

Bauchgefühl

Der Abreisetag ist schon da, der Tag der Wahrheit, denn ich möchte mir auf der Heimfahrt ja noch den Hof ansehen, der Esel in Not aufnimmt.

Der Eigentümer ist trotz unserer Verabredung nicht zuhause. Aber die riesige Weide, auf der eine Hand voll alter Esel steht, ist auch ohne ihn gut erreichbar.

Es ist ein trauriger Anblick. Ich kann gar nicht genau sagen, warum. Die Tiere werden ganz und gar nicht schlecht gehalten. Außerdem ist es so wichtig, dass es solche Höfe gibt. Trotzdem wird mir das Herz schwer.

Nein, Rosalie und Lotte gehören nicht hierher, das sagt mir mein Bauchgefühl.

Ich will jetzt nach Hause und wieder mit meinen Eseln zusammenleben.

 

11. Mai 2025

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Alle Maien wieder

Ganz schön zerknittert sehen sie aus, die tomatenroten Blätter der gefüllten Mohnblüten, wie gestauchtes Seidenpapier. Die beiden Schalenhälften kleben noch daran, mit weichen Haaren besetzt. Die zarte Blüte hat sie kraftvoll auseinander gesprengt, hindrängend zur Entfaltung.

Rund um sie herum zwitschert der Morgen mit Vogelkindern, die das Fliegen üben. Oh ja, ich bin rechtzeitig zurück, um dabei zu sein. Eine Amselfamilie nutzt dazu die ausgedehnten Rasenflächen im Ferienpark. Das Junge flattert auf, fliegt ein paar Meter flach über dem Boden, landet und bekommt zur Belohnung oder zur weiteren Kräftigung, so genau weiß ich das nicht, einen Schnabel voll Futter spendiert, mmh. Dabei ist es schon ganz schön moppelig, kein Wunder, dass es bei den ersten Flugversuchen die Eleganz einer Pummelhummel hat.

Beim zweiten Mal klappt es schon besser. Das dunkelgraue Bällchen mit den kurzen Flügeln schafft etliche Meter, immer noch bodennah, bis zum Kleinkindkarussell aus den Siebzigern, bravo, kleiner Flattermann, das wird!

Vor meiner Haustür übt das Kleine von Rotkehlchens. Mama oder Papa schauen mich an, ich schaue bewegt zurück. Durch unsere Blicke hindurch startet Baby mit ungebremstem Übermut hinauf in die unteren Zweige des Ahorn. Tschuldigung, da kann das Elternkehlchen wirklich nicht länger schauen, sondern fliegt eilig hinauf zu seinem Kind. Auch dies bekommt eine leckere Belohnung, wahrscheinlich eine Raupe, eine Spinne oder so.

Auf meinem Balkon hat eben das größte Spatzenjunge den Nistkasten verlassen, um dort herumzuhüpfen. Es war immer der erste, der seinen Kopf mit hungrig aufgerissenem Schnabel zum Einflugloch herausstreckte wie aus einer Kuckucksuhr um zwölf. Da kam Papa gar nicht dran vorbei, um auch noch ein Geschwisterchen mitzufüttern. Mama machte das anders. Sie schob ihren Schnabel sanft aber bestimmt an ihrem Großen vorbei, drängelte ihren Körper hinterher und verteilte das Futter drinnen wohl gerechter. UND nahm auch gleich ein weißes Klümpchen wieder mit hinaus, lieber Herr Spatz.

Jetzt müssen sich die Eltern aufteilen. Einer begleitet den kräftigen Nestflüchter, während die andere sich weiter um die Kleinen kümmert.

Und zwischendurch, du glaubst es nicht, sorgen sie schon für die Befruchtung des nächsten Geleges.

 

12. Mai 2025

Jaspis und Lein

Die Gallenblase soll über kurz oder lang raus, darin sind sich die Ärzte einig. Aber noch gibt es keinen Termin, worüber ich ganz froh bin. Nicht nur wegen Josh und dem Lottchen.

Denn erstens habe ich Respekt vor einer Narkose, nachdem schon die Sedierung mich weiter geschwächt hat. Und zweitens wurde die Gallenblase nicht umsonst eingebaut, denke ich. Einer muss der Leber doch bei der Fettverdauung helfen.

Aber die Beschwerden sind da. Es kann jederzeit wieder ein Gallenstein aus der Blase hopsen und einen Gallengang verstopfen.

Deshalb gebe ich jetzt Hildegard von Bingen die Chance, sich posthum an meinen Gallensteinen zu beweisen!

Was empfiehlt sie?

Bei Gallenkoliken gleich zu Beginn Galganttabletten, eine Jaspisscheibe, mit etwas Olivenöl in den Schmerzpunkt einmassiert, und warme Leinsamen-Leinen-Umschläge.

Jaspisscheibe ... Heilung mit Edelsteinen... naja. Bisher habe ich Edelsteinkunde nicht mal belächelt, sondern schlicht ignoriert. Aber weil schon Hildegard sie vertrat und anwandte, überdenke ich meine Haltung dazu. Was wäre, wenn alles auf der Welt nicht nur schön wie Jaspis wäre, sondern auch eine Wirkung hätte?

Jeder Edelstein besteht aus einem präzisen Kristallgitter, auf dem ganz bestimmte Atome innerhalb genauer Abstände exakt verlaufende Schwingungen ausführen. Das sind Fakten, okay. Diese Schwingungen können über die Haut oder andere Medien wie Wasser und Wein oder über die Sinnesorgane auf den Menschen übertragen werden, beschreibt Strehlow die Lehre der Nonne vom Disibodenberg. Die Energie der Steine übertrage sich über die Haut der Nervenzellen auf das zentrale Nervensystem, um dort die Ausschüttung bestimmter Signalstoffe im Gehirn zu veranlassen. Soso.

Jaspis soll auf dem Körperteil angedrückt werden, in dem sich Säfteunwetter erheben. Jaspis bestellt, auf das Säfteunwetter in der Galle gelegt. Außer Gallensteinen habe ich ja nichts zu verlieren.

 

Jetzt habe ich, mal mit Leinsaat, mal mit Jaspis auf dem runden Bauch, viel Zeit, die Bibel in die Hand zu nehmen, um dort nach Edelsteinen Ausschau zu halten. Siehe da: dem Apostel Johannes erscheint das Himmlische Jerusalem als Vision vom Jenseits mit Mauern von Jaspis! Der Ort, an dem es keine Krankheit mehr gibt:

Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen (Off 21,4). Auch Gallensteine.

 

13. Mai 2025

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Schüttelpizzenpfannkuchenrührei

Auf meinem neuen gebrauchten Betttablett steht ein buntes Schnapsgläschen mit Wermutwein, noch eine Empfehlung von Hildegard. Nein nein, der Alkohol wurde bei der Herstellung verkocht! Daneben eine kleine Vase Wildblümelein an Dinkelhabermus, selbstgebackenem Dinkelvollkornbrot dünn mit Honig bestrichen, dazu Dinkelkaffee. Hildegarddiät kann man sich hübsch machen! Sie soll es auch mit größeren Gallensteinen aufnehmen und ich merke ja selbst, wie gut sie mir tut. Nur wenn ich in einem Naschanfall Schokobutterkekse futtere, fängt es wieder an zu zwicken.

Ich muss neu kochen lernen. Fettarm, Dinkel in allen Formen,- als Nudeln, Reis, Couscous oder so, mit gedünstetem Gemüse, Salat und Fencheltee, nachmittags oder abends noch ein, zwei Scheiben Dinkelbrot mit wenig Butter oder Frischkäse und Kräutern.

 

Was soll ich bloß kochen? Schüttelpizza fällt mir wieder ein, schon der Name klingt nach wenig Arbeit mit viel Geschmack. Auf dem Youtube-Kanal von Lidl Österreich finde ich ein Rezept, das nahe an meine Vorgaben herankommt:

300g Gartengemüse, 250g Topfen, 30 g Mandelmehl, 2 Eier (die fallen etwas aus dem Rahmen), im Originalrezept auch geriebener Käse, Salz und Pfeffer, aufgepeppt mit Bertram und Galgant, werden in einer Schüssel mit Deckel feste durch die Gegend geschmissen und die Masse dann wie eine Pizza im Ofen gebacken. Bei mir klappt davon schlicht nichts. Die Schüssel ist zu klein, da vermischt sich gar nichts, aber ich habe einen Kochlöffel, der netterweise einspringt und alles miteinander verrührt. Backofen muss jetzt auch nicht extra heiß laufen, oder? Es geht bestimmt genauso gut in der mit einem Hauch von Öl eingepinselten Pfanne? Nee, geht nicht. Der Teig, der viel weniger Pizza als Pfannkuchen ist, wird nicht fest. Also schiebe ich die Masse, damit sie überall warm wird, in der Pfanne hin und her, jetzt eher wie Rührei. Allerdings richtig leckeres! Frischen Quendel und Oregano drübergestreut, schmeckt um Längen besser als es leider aussieht.

Weiter so. Ich will das Problem unbedingt ohne OP lösen.

 

15. Mai 2025

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Hundeklosett

Weil ich nicht möchte, dass sich die Hunde im Notfall noch einmal etwas verkneifen müssen, was man besser nicht wegdrückt und sich im Bäuchlein zu einer schmerzhaften Entzündung auswachsen kann, gibt es bei uns jetzt eine Hundetoilette. Sie steht dort, wo das Lottchen in einer fürchterlichen Gewitternacht Schiss bekam: in der Dusche. Das war der Ort, an den sie sonst niemals geht, der für sie also am wenigsten zur Wohnung gehörte, die man ja auf keinen Fall beschmutzen möchte. Ins blitzende Donnergetöse vor der Tür getraute sie sich nicht.

In der alten Katzentoilette, die merkwürdigerweise viele miezenfreie Jahre in meinem Haushalt überdauert hat, ist jetzt wieder die ökologisch hochwertige, abbau- weil kompostierbare Einstreu aus gepressten Sägespänen angefüllt, die man aber auch im WC verschwinden lassen kann. Tür auf, freier Zugang für die Fellnasen.

Das Hundelottchen marschiert als erste hinein. Sie ist so neugierig und im Moment wieder die aktivste von uns drei Hausbewohnern. Alte Hunde schlafen zwanzig Stunden am Tag? Denkste! Immer unterwegs und jetzt eben im Bad. Wie eine gute Montessorischülerin macht sie sich zunächst mit dem neuen Lernmaterial vertraut: klettert in die flache Wanne, wühlt wie ein Ferkelchen ihre Nase durch die Holzflocken, um schließlich daran herumzuknabbern. Nun ja.

Josh interessiert es erstmal nicht. Er kommt mit Leichtigkeit an die Zwanzig-Stunden-Ruhe heran. Andererseits nimmt er sich aber auch als Rudelführer wahr. Als solcher trägt er natürlich Verantwortung, muss sich also doch mal ansehen, womit die ihm schutzbefohlene Lotta sich da beschäftigt. Und siehe, auch er findet Geschmack am wohlbefüllten Örtchen. Fortan sind die beiden beschäftigt.

Irgendwann werde ich etwas von einem Spaziergang mitbringen und hineinlegen, was die Bestimmung erklären dürfte. Josh hat ja bisher keinerlei Verständnis dafür, dass ich seine Geschäfte einsammle, wo er sich doch nach wohlüberlegten Gesichtspunkten möglichst nah vor den Haustüren der hündlichen Konkurrenz um die Vorherrschaft im Feriendorf erleichtert.

Woran ich mich nicht erinnern kann, ist, dass jemals eine unserer Katzen so viel Einstreu an den Füßen mit in den Flur getragen hätte. Hunde sind eben keine Samtpfoten.

 

26. Mai 2025

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Ich glaub', ich sp...

Nein, diese Plattitüde möchte ich nicht bemühen, auch wenn sie sich aufdrängt.

Und dennoch: bei mir zu Hause steht jetzt ein Spinnrad. An ihm möchte ich demnächst sinnvoll Zeit verbringen und mein benebeltes Gehirn zur Ruhe spinnen.

Lang ersehnt, war ich heute morgen zu einer Spinngruppe eingeladen und durfte mich am geliehenen Spinnrad mit geschenkter Wolle ausprobieren. Die erste Stunde brauchte es schon, mich an die Technik und das Material zu gewöhnen, brachte kunstvolle Knoten, dicke Wollwürste und verhaspelte Fäden zustande. Die Frauen griffen immer wieder beherzt ein, erklärten, zeigten, retteten mein Erstlings-Wollwerk, bis irgendwann wie selbstverständlich die Handgriffe saßen und aus einem weichen Strang kardierter Kammzug-Merinowolle mit etwas Übung ein wenn auch unregelmäßiger Faden floss.

Zu viert saßen wir mit "unseren" Spinnrädern im Kreis um einen niedrigen kleinen Tisch gruppiert, auf dem jede eine Tasse Kaffee und ein Stückchen leckeren Kuchen stehen hatte. Spinnen ist ja sehr gemütlich, verlangt nach beiläufiger Unterhaltung, die, wann immer sie lebhafter wird, ein Päuschen mit Futter erfordert, bevor die erste wieder angelegentlich ihr Schwungrad anschiebt. Ssss.

Wie beruhigend ist diese monotone Handarbeit, die Garn für herrlich bequeme Winterpullis schafft.

Meine Sorge, ich würde zwei Stunden mit drei lebhaften Frauen gar nicht aushalten, war unbegründet. Ich konnte mich mit meinem Spinnrad in einen Kokon aus Konzentration und Automatismus einweben und brauchte nur, wenn es ging, hervorkommen, mitreden, mitlachen.

Das Spinnrad darf ich vorerst zu Hause behalten und, wenn wir beide gut miteinander auskommen, von der heutigen Gastgeberin erwerben. Ich finde, es sieht sehr hübsch aus da drüben im Schlafzimmer am Fensterplatz des Dornlieschens, der ab dem frühen Nachmittag in Sonnenlicht getaucht wird. Woran sich allerdings das Märchenmädchen  gestochen haben soll, ist mir ein Rätsel. 

 

Heißen Spinnen wohl Spinnen, weil sie spinnen, oder heißt Spinnen Spinnen, weil man wie Spinnen spinnt?

War zuerst das Huhn oder das Ei?

 

27. Mai 2025

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Joshi im Erdbeerenland

In der warmen Frühsommersonne backen unzählige Walderdbeeren und verströmen einen unwiderstehlich süßen Duft. Josh taucht seine Nase hinein, fahndet nach den leckeren roten Früchtchen. Gar nicht so einfach, weil sie dummerweise immer verschwinden, sobald er ein grünes Blatt an seinem Stiel beiseiteschiebt, um die Beere daran zu erhaschen! Wie HÄNSCHEN IM BLAUBEERENWALD arbeitet er sich durch die Beerenbüschel.

Das Bilderbuch besaß meine Mutter schon als Kind. Es hatte eine altehrwürdige Patina, als sie es an mich weitergab. Ich behandelte es wie einen Schatz, drehte die brüchigen Seiten vorsichtig herum und bestaunte die hübschen Bilder der schwedischen Illustratorin Elsa Beskow: Hänschen in seinem himmelblau-weiß gestreiften Kittel über der kurzen Hose und den knallroten Strümpfen, auf dem Kopf einen roten Hut, farblich perfekt abgestimmt auf die Blau- und die Preiselbeeren, die er sucht. Seiner Mutter zum Geburtstag als Geschenk, und findet sie doch nur, welch ein Glück, mit Hilfe des Blaubeerenkönigs, der ihn durch sachte Berührung mit seinem Stab auf Blaubeerenwaldgröße schrumpft. Zu seinen blaubemützten Söhnen in den Blaubeerenwald führt er ihn, allesamt mit blauverschmierten Mündern und geröteten Wangen vom unablässigen Naschen, senken sie auch ein klitzeklein wenig schuldbewusst die Köpfe.

 

Und schmunzelnd der Blaubeerenkönig sagt

Du siehst an der blauen gefälligen Tracht,

Dass dies meine muntere Bande.

Jetzt Burschen, beeilt euch, hinaus in den Wald!

Pflückt unserem Hansemann Beeren, dass bald

Der Korb ist gefüllt bis zum Rande. 

 

Wann immer ich durch einen Wald laufe, dessen Blätterdach sich über mir schließt, fühle auch ich mich wie Lieschen im Blaubeerenwald, noch heute, klein und verzaubert wie das Hänschen, und muss staunen.

Wenn ich jetzt noch einmal so in dem Buch stöbere, stoße ich mich doch ein wenig daran, dass die Blaubeerenjungs sich schmutzig machen dürfen, während die Preiselbeermädchen adrett blondbezopft in einem ordentlichen Halbkreis sitzend mit sauberen Tüchern die roten Beeren blitzeblank putzen. Wann ist es erschienen? Ach so, 1901. Da war das wohl so und es war vielleicht sogar schon das Kinderbuch meiner Oma.

 

Schmatzend taucht Joshi wieder aus dem Erdbeerenwald auf, das Mäulchen trägt noch Spuren vom Schmaus. Es hat ihm geschmeckt!

3. Juni 2025

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Eselarena

Die Esel sollen geimpft werden und mir graut davor. Die beiden wissen genau, ob ungefährliche Wandergäste kommen oder eine Tierärztin, die manchmal beängstigende Sachen macht. Dass sie nervös werden, macht mich nervös, was sie nervös macht. Schon dass ich diesen kleinen Bereich mit Zaunlitze absperre, kann ja wohl nur bedeuten, dass etwas passieren wird, vor dem sie nicht weglaufen sollen. Aber wollen.

Erstmal Futter hinstellen. Es wird skeptisch beobachtet. Vielleicht habe ich eine böse zischende Sprühflasche darin versteckt? Hab ich nicht und spendiere noch ein wenig Möhrengrün. Die Wurzeln sind ja noch nicht erntereif.

Na gut, sie futtern, ha, ich habe gewonnen, - vorerst.

Ob ich die Tierärztin davon überzeugen kann, erstmal ganz unverdächtig alltägliche Sachen zu machen wie zum Beispiel bürsten, was Gäste ja auch immer machen?

Sie ist einverstanden und putzt energisch drauflos, so dass das Winterfell nur so durch die Luft fliegt. Herrlich, genießt Rosalie, denn das Fell juckt zum Verrücktwerden, wenn es anfängt, sich zu lösen und das Sommerfell schon nachschiebt. Dass das Stethoskop schon heimlich im Anschlag ist, hier und da auf Rücken und Brust drückt, scheint sie zwar merkwürdig zu finden, aber naja, Menschen eben.

Auch dass sie mit einem nassen Tuch am Hals abgerieben wird (desinfiziert)!

Als nächstes muss jetzt der Pieks kommen. Bei mir steigt der Stresspegel, wir hatten schon manch wilde Jagd durch den Eselgarten bei vorangegangenen Injektionen. Aber die Tierärztin weiß, was sie tut. Sie schnellt mit der Spritze so elegant in Rosies Hals, dass kurz das Bild einer Stierkämpferin in mir aufsteigt, die in der Arena von Nîmes in der einen Hand einen Speer trägt, in der anderen zur Ablenkung ein rotes Tuch schwingt. Zack, schon vorbei.

Rosie buckelt noch ein bisschen, weil sie sich reingelegt fühlt und denkt, sie hätte den fiesen Teil des Besuchs noch vor sich. Aber sie will einfach weg. Da erlebt die Ärztin ja ganz andere Kämpfe mit Pferden, die sie als Gegnerin direkt angreifen, so erzählt die zierliche Person. Da bin ich dann schon fast wieder ein bisschen stolz auf meine sanften Grauen.

Schnell ist auch Lotte geimpft und schon werden sie wieder ordentlich abgeschrubbt, damit sie die Ärztin in guter Erinnerung behalten. 

So leicht war das.

4. Juni 2025

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Sabbern, kauen, legen

Wieso crashe ich ausgerechnet jetzt, wo ich doch gerade das Lieblingsnachbarkind aus dem Kindergarten abgeholt habe?! Wir wollten auf dem tollen Ninjaparcour-Spielplatz unten im Dorf klettern, balancieren und dazwischen Kekse futtern, aber plötzlich verlässt mich alle Kraft, mich schwindelt, ich muss mich hinsetzen, aus der Sonne raus. Lisa, kannst du auch bis oben klettern? Nein, das kann ich jetzt nicht. Das kannst du, wenn du klein bist, tröstet sie mich. Entwaffnende Logik eines Kindes, das immer hört, das kannst du, wenn du groß bist. Ja, wenn ich erstmal wieder klein bin, kann ich auch herumtoben und - rennen. Aber jetzt muss ich erst einmal irgendwie mit dem Kind hinauf ins Feriendorf, die Mama verlässt sich auf mich!

Mal 72 Stunden zurückrechnen, was war denn da bloß? Ach so, ja, ein langer schöner Besuch. So ein Mist, es war zuviel.

Auch wenn das Kind so gerne noch mit zu mir möchte, um mit den Hunden und den Spielsachen zu spielen, die ich in dem antiken Kofferschätzchen für es aufbewahre. Die Spielsachen. Als wir oben vor der Haustür stehen, muss ich ganz dringend ein Stündchen allein sein.

Das Lieblingsnachbarkind und die Mama nehmen mir danach die Abendversorgung der Hunde ab, so dass ich sofort Eseln gehen kann.

Im Eselgarten erst einmal wieder hinsetzen, auf den Eselstrand, bis der Schwindel sich etwas legt, die Atmung sich beruhigt.

Rosalie und Lotte schreiten gemach zur Eseltherapie heran, stellen sich hinter mich, legen behutsam ihre Riesenwangen an die meine, betrachten mich in aller Seelenruhe, die sich auf mich überträgt. Sie spiegeln mich in ihren Augen, schön ist das.

 

Aufmunterung gefällig? scheint Lotte sich und mich zu fragen. Sie hat wie immer den Schalk im Nacken, heute in meinem, spitzt die weichen Lippen, greift damit nach meiner Stirn. Nach meiner Stirn, wirklich? - Nein, wohl eher nach meinen Haaren! Kaut, zieht, frisiert noch einmal neu, arbeitet Heureste mit ein, och nö!  Aber es gelingt ihr mit Geduld und Spucke, dass ich lachen muss und das bewusste Atmen vergessen kann, das sowieso immer alles immer nur schlimmer macht.

4. Juni 2025

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Schafskälte

Stürmisch ist es, regnerisch und mit 12 Grad Tagestemperatur nassfrisch: Schafskälte. Nicht nur den geschorenen Schafen ist kalt, auch ich friere und feuere noch einmal den Ofen im Wohnhaus an. Mit einer Decke in den Wintersessel eingemummelt, die Hunde zu meinen Füßen, und mit einem Buch im Schoß lässt sich das Naturschauspiel draußen gut aushalten.

Die Böen treiben heftige Schauer fast waagerecht am  Panoramafenster vorbei, dann prasselt Hagel, bevor die Sonne durch Löcher in der Wolkendecke ihre Strahlen auf die Erde schickt.

Der Wind zerrt an den Bäumen, reißt ihnen Zweige aus der Krone.

Ein Rotmilan segelt über dem Tal, die schmalen Schwingen weit ausgebreitet. Bis zu 1,80 m kann er sie ausspannen. Kunstvoll hält er mit seinem biegsamen Körper und dem gegabelten Schwanz gegen den Sturm das Gleichgewicht und beobachtet von dort oben die Bewegungen seines Futters auf Weiden und Feldern, die von kleinen Säugetieren und Amphibien, auch kleinere Vögel schont er nicht. Wunderschön sieht es aus, wie du da oben fliegst, aber lass meine Spatzen in Ruh'!

 

Die beiden schütteln Tropfen aus dem Gefieder, wenn sie patschnass aus einem Regenguss mit Futter zum Nest zurückkehren. Sie haben für ihre Kleinen doch einen guten Platz gewählt im Schutz meines Terrassendachs.

Der Schreiner des Vogelhäuschen, mein niederländischer Nachbar, kehrt mit seiner Frau von einer Wanderung heim und kommt an meiner Haushälfte vorbei. Unverwüstlich sind sie in ihren dicken Regenmänteln rund um das Tal unterwegs gewesen.

Nein, ich bleibe am Ofen im Sessel, sitze meinen aktuellen Crash aus.

 

Klopf, klopf, das Lieblingsnachbarkind vom Haus am Hang über mir kommt zu Besuch. Josh mit seinem untrüglichen Gehör hat sie längst gemeldet. Mit der Kleinen kommt eine riesige Portion Sonnenschein ins Haus: Ich hab dich mit Lota und Jossi (Joshi, das ist ein sehr schweres Wort) gesehen. Oben. Deshalb komme ich! Was für eine wundervolle Idee. Wie kann man einen solchen Nachmittag denn besser verbringen als mit der dreijährigen Lieblingsnachbarin auf dem Fußboden bei einer Partie Memory?

8. Juni 2025

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