WINTERGESCHICHTEN
Fortsetzung der SOMMERGESCHICHTEN ab dem 19. November 2024
Das Dach über dem Kopf
Das sagt sich so leicht. Ein Dach über dem Kopf ist ja wohl selbstverständlich, jedenfalls in Europa und erst recht im immer noch Wohlstands-Deutschland.
Doch dann tröpfelt es plötzlich durch die abgehängte Holzdecke. Nanu? Es regnet doch gar nicht mehr! Da hat sich das Wasser wohl über Stunden seinen Weg gesucht, erst die Dämmung getränkt, die auf der Decke aufliegt, und sich schließlich durch die Ritze zwischen Nut und Feder gedrängelt.
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Es ist Sonntag, klar. Während ich Dachdecker und Zimmerleute in der Umgebung recherchiere, entsteht eine zweite Tröpfelstelle. Schüsseln darunter, entstehende Sorge weg atmen, den niederländischen Nachbarn anschreiben, quasi meine bessere (Doppelhaus-) Hälfte. Der gelernte Schreiner ist mit seiner Frau gerade auf dem Weg hierher ins Ferienhaus und verspricht, sich das Dach morgen bei Tageslicht mal anzusehen.
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Dabei bleibt es. Er traut sich dann doch nicht aufs Dach. Nicht weil er es nicht könnte, sondern weil man ja auch eine Menge kaputt machen kann, wenn man auf fremden Dächern herumspaziert. Aufs Dach sollte schon immer ein Profi. Oder zwei. Die beiden Zimmerleute einer Firma mit guten Bewertungen lassen sich zwar bitten, inzwischen tropft es an zwölf Stellen. Über Nacht stütze ich die Decke ab. Zufällig habe ich noch lange Bretter hinterm Kleiderschrank stehen. Wer weiß, wieviel Kilo wassergetränkte Dämmung eine solche Decke tragen kann ohne einzukrachen und eine Woge schmutzigen Regenwassers in mein Wohnzimmer zu ergießen.
Aber schließlich zieht meine weibliche Hilflosigkeit. In regenpeitschendem Sturmesbrausen klettern mir der Chef und sein Geselle am dritten Tag aufs Dach, schrubben nasses schweres Moos herunter, orten 3! Bruchstellen, die meine beiden Alltagshelden mit Blei und Silikon verkleiden. Darunter im Trockenen Josh, der Lottahund und ich. Während ich erleichtert bin, dass da oben etwas geschieht, wird dem kleinen Hundejungen Angst und bange von den kratzenden Geräuschen über unseren Häuptern. Den Schwanz unter den Bauch geklemmt, verzieht er sich zur Haustür, bettelt darum, hinauszudürfen. Will er dann aber lieber doch nicht. Da draußen ist ja ganz schön was los. Tut mir leid kleiner Joshi, da müssen wir jetzt durch.
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Und dann, zweieinhalb Stunden später, ist das Dach wieder rundum sauber und dicht. Die Nachbarin von oberhalb schickt mir ein Foto, das mich hinauslockt. Sieht wirklich toll aus. Kein Vergleich zu vorher.
Und als ich da oben lange und tief zu atmen beginne, merke ich erst, wie angespannt ich in den letzten Tagen war.
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19. November 2024
Wie vor hundert Jahren
Es ist ja nicht so, dass das heute nicht mehr geht, nur weil es niemand mehr macht! Was Menschen jahrhundertelang sauber gehalten hat, funktioniert immer noch, braucht nur etwas Übung: das Haarewaschen in der Schüssel. Ich probiere es heute zum dritten Mal und habe nur noch ganz wenige klitzekleine fettige Stellen am Kopp. Und das geht so:
Man braucht zunächst eine defekte Heizung oder, wie in meinem Fall, eine undichte Gasleitung und monsunartigen Regen, durch den das Leck akustisch überhaupt erst wahrnehmbar wird, zur Motivation. Sonst schlüpft man ja doch blitzschnell wieder unter die Warmwasser-Regendusche.
Dann erhitzt man das Wasser stilecht im Teewasserkessel und in altmodischen Kannen, Creme mit Goldrand, auf dem Holzofen oder auf die laaaangweilige Art im elektrischen Wasserkocher.
Davon gießt man einen Liter in die Waschschüssel, hängt die Haare kopfüber rein und taucht dann einen Schwamm erst in das warme Wasser, dann drückt man ihn dort am Kopf aus, wo er nass werden soll.
Beim ersten Mal habe ich versucht, mir das Wasser direkt aus der Kanne über den Kopf zu kippen. Aber heb mal das kiloschwere Dingen hinterrücks über den Kopf und treff' dann auch noch erstmal die Haare und letzten Endes die Schüssel statt des Fußbodens. Beim zweiten Mal habe ich einen Wäschesprenger benutzt, mit dem man bis zur Erfindung des Dampfbügeleisens die Bügelwäsche befeuchtet hat. Der reichte aber nicht, um das Haar bis auf die Kopfhaut zu durchnässen. Ehrlich, der Schwamm war die beste Anschaffung ever oder doch wenigstens seit dem Gasleitungsschaden!
Danach die Haare mit einem Stück Alepposeife einseifen. Ausgespült wird wieder mit dem weichen Superschwamm aus dem Mittelmeer, zwischendurch das Wasser in der Schüssel mal erneuern. Zum Schluss mit einem Viertelliter Apfelessigwasser im Verhältnis 1:10 gespült, Handtuch um den Kopf und ab da geht es dann ganz genau so weiter als käme man geradewegs aus der Dusche herausspaziert. Geht doch!
Oder man legt nochmal einen oder zwei frische Liter Wasser nach und wäscht auch noch den Rest, wenn man da schonmal so herumsteht.
Die ganze Zeit über versucht man, das Lottchen zu ignorieren, das neben einem Wurzel geschlagen hat und anfängt zu zittern, weil das da eigentlich fast haargenau der Standort ist, an dem sonst Futter zugeteilt wird. Der kleine Pawlow' sche Hund ist klassisch konditioniert.
Dann wir es spannend: das Haar trocknet! Wird es überall sauber sein? Es wird! Picobello, ich bin jetzt Profi*n im Altertums-Haarewaschen, nach nur 10 Tagen Übung. Das werde ich öfter machen, auch wenn jetzt bitte mal die Gasleitung abgedichtet werden könnte, die im Regen so fröhlich gefährlich vor sich hin geblubbert hat.
Zur Ehrenrettung meiner Lieblingsnachbarn muss ich sagen: ich darf dort jederzeit duschen. Aber ich mag auch die Herausforderung, etwas Neues zu lernen, was ja eigentlich eine Kernkompetenz des Alltags ist. Wird mir im nächsten Eselsommer zugutekommen, wenn ich wieder die Gartenhütte ohne Strom und fließendes Wasser beziehe.
30. November 2024
Erster Advent
Lichtgeschmückte Tannen und Fichten tauchen eine nach der anderen auf Kirchplätzen und Hauptstraßen in den Dörfern im Altenautal auf und zeigen nächtens funkelnd: Es ist Advent.
Auch bei mir zu Hause gibt es seit Jahren wieder einmal einen selbst gewunden Adventskranz mit vier schlanken weißen Kerzen, die noch aus dem Nachlass meiner Mutter stammen. Ich hatte nicht erwartet, dass sie mir dadurch noch einmal so nahe kommen würde. Vier Wochen mit Mama bis Weihnachten.
Stephanie Brall und Ann Kathrin Blohmer schreiben mir im diesjährigen Adventskalender LICHTUNGEN aus dem Herzen :
Mögen uns die runden Kränze an Türen und auf Tischen daran erinnern, dass wir eingebettet sind in ein großes Ganzes. Mit Jahreszeiten und Lebenszeit, Werden und Vergehen, im Sehnen und Vermissen, mit Anfängen und Abschied, im Aufbrechen und Weitergehen. Verbunden.
Ich hatte gerade den Bescheid der Berufsgenossenschaft aus dem Briefkasten gezogen, in der sie zwar meine Ansteckung am Arbeitsplatz anerkennt, mir aber dennoch medizinische und finanzielle Unterstützung abschlägt. Schwer zu schlucken. Das Grummeln in der Brust, die Bitterkeit, das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, ließen mir über Stunden keine Ruhe. Wenn so etwas passiert, muss ich in die Natur, um mich wieder als Teil der Schöpfung zu verstehen, in der jeder und jedes gewollt, liebevoll gestaltet und getragen ist.
Himmelweit eingehüllt nennen es die beiden Frauen aus den Lichtungen.
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Die Weidenzweige aus dem Eselgarten sorgfältig ineinander verflochten, Immergrünes drumherum gelegt, Kerzenhalter hineingedrückt, wieder ins Gleichgewicht gekommen, Seele verbunden.
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Heute, am Morgen des Ersten Advent, entzünde ich die erste Kerze, verbunden mit meiner verstorbenen Mutter, die diese Kerzen in ihren Händen gehalten hat, verbunden mit dem einen, auf den ich im Advent warte, die schlafenden Hunde als kleine Trostpflaster und Wärmflaschen auf meinem Schoß. Alles gut.
1. Dezember 2024
Neugier mit Vorsicht
Die Außentemperaturen sinken in den letzten Nächten unter den Gefrierpunkt. Da sollen Rosalie und Esel Lotte morgens und abends etwas Warmes in den Bauch bekommen. Die Cobs aus gehächseltem und gepresstem Heu lieben sie beide. In heißem Wasser quellen sie in wenigen Minuten dampfend auf und ich muss aufpassen, dass mir gerade Rosalie sie nicht schon stibitzt, wenn sie noch gar nicht auseinandergefallen sind. Sonst quellen sie in der Speiseröhre oder im Darm weiter auf und verstopfen das ganze arme Eselchen. Außerdem soll Rosie sich ja auch nicht ihre hübsche Schnute verbrennen. Erst abkühlen lassen, Rosie!
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Heute nutze ich die Leidenschaft der Esel für das warme Futter, um ihnen den Kräutersaft unterzujubeln, von dem ich im Spätsommer eine Riesenflasche gekauft hatte. So oft können die Fellnasen gar nicht herumschnupfen, dass sie den Saft aufbrauchen. Also entscheide ich mich für die Prophylaxe zur Immunstärkung, messe die Menge pingelig genau ab und würde schon wieder gerne selbst ein Schlückchen probieren, weil es so lecker duftet.
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Neugierig halten sie die weichen Tasthaare darüber, wackeln mit den Nüstern, berühren die warme Masse ganz leicht. Lieber nochmal zur schwesterlichen Schüssel hinüberlinsen. Es könnte ja sein, dass die andere ein bisschen mehr oder gar Besseres bekommen hat. Aber die eigene Schüssel verlassen, nur um möglicherweise doch eine kleinere Portion zu erwischen? Nein! Rosalie entscheidet sich für GANZ SCHNELL AUFFUTTERN, DANN LOTTES SCHÜSSEL MOPSEN. Von wegen, Rosalie würde ihrer Schwester niemals das Futter klauen. Es gibt Grenzen und die sind bei Heucobs erreicht.
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Lotte nimmt es erstaunlich gelassen. Aber sie ist nicht plötzlich großzügig geworden, sondern mag nur den Erkältungssaft nicht so gern.
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1. Dezember 2024
Kalte Pfoten
Nasse Luft nieselt vom grau bewölkten Himmel herab, durchfeuchtet den Waldboden, die Hunde und mich. Die Bäume wirken trostlos, ihr Laub liegt pappig nass auf der Erde. Ich bin immer noch bedrückt vom Bescheid der Berufsgenossenschaft, die finanziellen Folgen meiner Erkrankungen sind für mich noch nicht überschaubar.
Ich muss jetzt dringend etwas Schönes sehen. Also stehenbleiben, Sinne fürs Detail öffnen, Schönheit ins Herz fluten.
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Klappt sofort!
Regenrinnsale haben dunkle Streifen auf die Rinde der Buchen gemalt,
Austern-Seitlinge Totholz besiedelt. Judasohren überlappen einander rötlich glänzend, kleine cremeweiße Herzchen tragen feinste schnurgerade Lamellen. Gallertfleischige Stummelfüßchen heißen sie. Wer gibt Pilzen ihre Namen?
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Die Karden der Disteln sehen hart und vertrocknet aus, wiederborstig mit ihren Stacheln, Zacken und Pfeilspitzen. Überraschung beim Berühren: sie sind so zart, dass ich sie streicheln kann und möchte.
Josh hat hier viel zu tun. Der Hundejunge schnüffelt sich durch das schwere Laub. Es sind eindeutig Fährten darin, denen ein pflichtbewusster kleiner Hund nachgehen muss.
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Nur das Lottchen schlottert trotz Strickpullover. Komm auf meinen Arm, Kleines. Ihre nassen Pfötchen sind eiskalt! Ganz leicht lege ich meine freie Hand um das erste Füßchen herum und spüre die Wärme, die dazwischen entsteht. Eines nach dem anderen taue ich auf, bis der kleine Hund sich behaglich in meine Arme schmiegt.
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So schön wohlig gewärmt, fällt dem kleinen Lottchen ein, dass es jetzt eigentlich wieder viel lieber da unten auf dem Waldweg herumrennen will, strampelt sich frei, flitzt herum. Bis die Pfötchen wieder ganz nass und eisekalt sind. Dann darf ich wieder Pfoten wärmen und dabei fließt ganz viel wunderwarme Liebe.
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5. Dezember 2024
Gut gegangen
Was macht denn der kleine Lottahund da? Er hat sich in sein Körbchen verdrückt, reckt Hals und Nase weit nach oben in die Luft, schiebt die Zunge aus dem Mäulchen, das zunehmend schäumt. Sie versucht, etwas wieder nach draußen zu befördern, das nicht dort hinein gehört, aber es gelingt nicht.
Es steckt fest in ihrem Hals. Josh hatte vom Spaziergang ein Stöckchen mit ins Haus gebracht, das Lotta ihm abgeluchst und wohl verschluckt hat. So etwas passiert natürlich am liebsten Freitagabend, wenn die Tierarztpraxen gerade geschlossen haben.
Erst vor wenigen Tagen erzählte mir jemand, dass es in Lichtenau wieder einen tiermedizinischen Notdienst gibt, dem ich jetzt telefonisch das Problem beschreibe. Wir können sofort kommen. Welch ein Segen, jetzt mit einer erstickenden Lotta nicht über 60 Kilometer bis nach Bielefeld in die Tierklinik fahren zu müssen. Das würde niemals gutgehen. Behutsam setze ich das geliebte Lottchen in seinen Rucksack und haste zum Auto. Unterwegs spüre ich, wie sich ihr Rücken fest gegen meinen drückt, ganz rund wird. Dann lässt die Spannung nach.
Jetzt bloß keine Zeit verlieren, indem ich nachschaue, was da hinten passiert ist. Doch als ich sie samt Rucksack im Auto absetze, ist die kleine Kämpferin wieder munter, bewegt und verhält sich ganz normal. Da ist wohl das doofe Holz erstmal weiter gerutscht. Von unterwegs gebe ich beim Arzt zwar telefonisch Entwarnung. Trotzdem fahre ich hin. Wer weiß, was das Stöckchen auf dem Weg durch den kleinen Hund alles anstellt.
Der Tierarzt diagnostiziert beim Blick in den Rachen einen Infekt: der Hals sei stark geschwollen und gerötet. - Ja, er hat mit einem Stöckchen gerangelt. - Ob sie etwas gegessen habe? - Ja, ein Stöckchen. - Ich gebe ihr zwei Spritzen gegen den Infekt... - EIN STÖCKCHEN! -... zum Abschwellen... - Na gut, das nehmen wir. Ist ja egal, warum. Es ist gut gegangen, Gott sei Dank.
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Lotta hat schon so manches verschluckt, was eigentlich nicht durch den Darm eines Hundes hindurchpasst. Einmal hat sie bei der Arbeit im Heim, von mir unbemerkt, eine Nähnadel mit abgebrochenem Nadelöhr vom Boden aufgenommen. Tage später piekte die Spitze wie bei der Biene Maja hinten aus dem Po heraus. Die sofort kontaktierte Tierärztin, es war Sonntag, konnte es nicht glauben, bis sie es selbst sah. Als das blöde Ding endlich herausoperiert war, galt sie in der Praxis als das Wunder von Lichtenau.
Dann hatte sie sich vor zwei Jahren in einen Einkaufskorb gewühlt, die Blechbüchse darin geknackt und eine Handvoll Schokomandeln verschlungen, die sich in dem winzigen Darm festsetzten wie die Wackersteine in Rotkäppchens Wolfsbauch. Sie wurde vier entsetzlich lange Tage und Nächte in der Klinik überwacht und behandelt, zumal ihre Nieren mit der Schokolade nicht klarkamen. Als endlich Entwarnung gegeben werden konnte, war es, als würde mir der allertollste kleine Lottahund auf der ganzen Welt ein weiteres Mal geschenkt.
6. Dezember 2024
Und wenn das vierte Söckchen hängt
Die erste Adventswoche hatte es in sich, - fast jeden Tag ein Arztbesuch und zwei Besuche bei Freunden obendrauf haben mich wieder über die Grenzen der Belastbarkeit hinausgebracht. Crash. Also wieder feste Ausruhen. Weil das manchmal ganz schön langweilig ist, schnappe ich mir ein Nadelspiel und Wolle. Meiner Schwester hatte ich sowieso warme Socken für ihren Urlaub in Norwegen versprochen, mit hohem Schaft und einer hübsch gezackten Borte, die über den Stiefelrand hinauslugt. Jetzt ist genau die richtige Zeit dafür. Runde um Runde entsteht die Strickware in warmem Rot. Meine Schwester mag Farben. Als die Strümpfe fertig sind, greife ich zum nächsten Knäuel, habe herrlich weichbunte Wolle gefunden, die zu verarbeiten mir richtig Freude macht. Wenn ich schon so herumsitzen muss, kann ich auch gleich noch ein paar Freundinnen bestricken.
Dazu läuft als Hörbuch Ronja Räubertochter von Astrid Lindgren, bravourös gelesen von Ulrich Noethen. Allein mit seiner Stimme drückt er so plastisch die verschiedensten Charaktere aus. Man hört förmlich, dass der alte Glatzen-Per, der doch schon unter Ronjas Opa geräubert hatte, kaum noch Zähne im Mund hat und die Rumpelwichte die ihren gar nicht erst auseinander bekommen. Wieso denn bloß? Während Ronja und Birk für mich durch den Mattiswald streifen, weil ich es gerade nicht kann, entsteht Söckchen für Söckchen auf der Leine an der Terrasse.
Advent, Advent, ein Söcklein hängt.
Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier
für Freunde und ein Paar bleibt hier.
8. Dezember 2024
Eselweihnacht
Und dann ist endlich Eselweihnacht! Nach und nach trudeln große und kleine Leute am Stall ein, alle doppelt gemoppelt warm verpackt, denn es ist zwei Grad kalt, etwas windig.
Die Weihnachtsgeschichte hat Spuren hinterlassen nicht nur in unseren Herzen, weil nach Jesus nichts mehr war wie vorher. Heute suchen wir ihre Spuren auch hier im Dorf.
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Gleich am Treffpunkt geht es ja schon los. Wir sind in Nazareth, wo Maria und Josef wohl etwas überstürzt aufgebrochen sind. Da haben sie doch tatsächlich ihren Reisekorb vergessen, denn der steht immer noch mutterseelenallein vor der rotgestrichenen Tür der Scheune, die uns als Kulisse dient. Was da wohl drin ist? Schüchtern schauen die Kinder hinein, bis eine Oma tatkräftig die Sache in die Hand nimmt. Babysachen sind es und etwas Verpflegung für die lange Reise nach Bethlehem. Wir nehmen sie mit, Ehrensache! Die kleine Familie braucht sie doch, wenn erst das Kind geboren ist. Vielleicht holen wir sie noch ein.
Ruckzuck sind Strampler, Thermoskanne und Co in Rosalies Packtaschen verstaut und schon zieht eine Karawane aus Eseln und Kinderwagen hinauf ins Wäldchen, wo ein Kind einen wunderschön leuchtenden Stern entdeckt. Sehr gut, der geht ab sofort voran. Die Freundin aus Düsseldorf hat ihn gebastelt und wird uns den Weg zum Stall zeigen.
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Da hängt doch unterwegs wirklich ein Rucksack an einer uralten Eiche. Wanderstöcke sind auch daran gelehnt und zwei Hüte zieren die Komposition. Wenn hier mal nicht die Hirten auf dem Feld lagerten, bis der Engel kam, um sie nach Bethlehem zu schicken. Glohohohohoho hohohohoho hohohohohooooria...! Da haben auch die Hirten wohl alles stehen und liegen lassen. Es ist sogar noch Fettfutter im Rucksack, in kleinen Netzen an Kordeln zum Aufhängen. Da ist aber was los, als die Kinder, gut verstaut auf den Armen von Mama oder Papa, die Knödel für die Vögel in die Zweige hängen.
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Dann kommen schon die ersten Häuser von Bethlehem in Sicht. Ob Maria und Josef hier untergekommen sind? Wir klopfen, spieken durch Fenster. Aber nein, niemand da. Die arme Maria musste wohl weiterziehen.
Und endlich finden wir den Stall mitten auf dem Dorfspielplatz mit der Krippe darin. Mein liebstes Lieblingsnachbarkind hat seine Kukla, die Puppe, mitgebracht, die wir jetzt behutsam hineinlegen. Zu Bethlehem geboren. Wir haben Weihnachten gefunden! Erleichtert und glücklich werden die Sachen für das Jesuskind ausgepackt und schließlich gibt es für alle Weinachtsspurensucher Kinderpunsch und die ersten Weihnachtsplätzchen. Jeder hat welche mitgebracht!
Es ist schon richtig dunkel, die Laternen leuchten hell, die Esel hören wir direkt hinter der Krippe kauen und dann singen wir die richtig festlichen Weihnachtslieder, die man eigentlich erst in der Heiligen Nacht singen darf. Aber das hier ist jetzt auch so eine geheiligte, stille und selige Nacht, in der mir ein ums andere Jahr so warm wird ums Herz.
14. Dezember 2024
​Knödel für Vögel
Das Aufräumen im Stall von Bethlehem hat gut geklappt. Unser Team hatte Hilfe; wir haben immer so wundervolle Menschen zu Gast.
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Trotzdem gehe ich heute noch einmal unsere Strecke ab, denn gestern wurde es rasch dunkel. Da übersieht man schon mal, dass wir in Nazareth den ausgepackten Reisekorb der Heiligen Familie haben stehen lassen, genau wie sie.
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Ich habe meine beiden Spürnasen dabei, die sich aufgeregt den gestrigen Weg entlang schnüffeln. Verzücken sie die Düfte der vielen Menschen oder hat vielleicht doch eine hungrige kleine Gretel unterwegs mit Keksen gekrümelt? Ich kenne doch den Appetit der kleinen Nachbarmaus. Geht anderen Kindern bestimmt auch so.
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Und so erreichen wir Station um Station, die wir, ich muss schon sagen, pico Bello hinterlassen haben. Nur über dem Lager der Hirten baumeln o du fröhliche Meisenknödelchen herum. Sieht toll aus! Fehlen nur noch die Meisen. So ein unerwartetes Extrafutter muss sich erst einmal herumzwitschern.
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Am Stall alias Spielplatzpavillon flattert ein beschriftetes Stück Klebeband herum. Nicht von uns. Ich stopfe es trotzdem in die Tonne und dann bleibt, vom Meisenfutter und etwas Durchfall im Eselstall einmal abgesehen, nichts mehr von der Eselweihnachtsspurensuche übrig. Aber die allererste Weihnachtsgeschichte und ihre Folgen sind bis heute spürbar.
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15. Dezember 2024
Weihnachtsmandeln für
mein GlücklichT
Ich besuche heute eine frühere Kollegin und möchte ihr etwas mitbringen. Sie selbst hat mich bereits zu Nikolaus mit einer riesigen Tüte der GlücklichT-Aktion des Bistums Paderborn beschenkt, bis oben gefüllt mit Leckereien für meine Vorratskammer. Ich kam den lieben langen GlücklichT-Abend aus dem Heulen nicht heraus, so sehr hat mich das angerührt.
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Deshalb mache ich jetzt als winziges Dankeschön Weihnachtsmandeln. Das Originalrezept haben vor vier Jahren Giulia und Markus Sommer, zwei leidenschaftliche Puck-Camper, auf ihrem YouTube Kanal just Touring verraten. Sie sind so einfach und trotzdem mmhhhhh! Nach Hundelottas Weihnachtsmandelvergiftung vor zwei Jahren wollte ich nie wieder welche machen. Aber wenn etwas so lecker ist, muss man eben Maßnahmen ergreifen.
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Erst einmal mische ich 400g Mandeln in einer Schüssel mit 50g Puderzucker, bis alle weiß bestäubt sind. Sie brutzeln dann 20 Minuten lang auf einem Backblech mit Bachpapier im Ofen bei 160 Grad Ober- und Unterhitze. Erst als sie abgekühlt sind, das dauert nämlich ein bisschen, schmelze ich im Wasserbad 200g Vollmilch-Kuvertüre, stäube Nelken-, Anis- und Zimtpulver hinein und rühre die Mandeln in die herrlich dunkle Masse mit dem würzigen Aroma. Dann schüttele ich sie in einer großen Schüssel mit Deckel zusammen mit weiteren 150g Puderzucker solange, bis alle Schokomandeln damit überzogen sind. Nicht alle trennen sich voneinander. Ein paar bleiben durch die Schokolade aneinander kleben und das sind die beliebtesten Klumpen überhaupt.
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Bis zum Verzehr muss man sie unbedingt mindestens zwei Meter über dem Boden in einem gepanzerten Schrank unter Verschluss halten, in den sich kein kleiner verhungernder Hund hineinnagen kann. Alternativ bringt man sie sofort ins Auto - wenn der Hund mitfährt, stopft man sie ins Handschuhfach - und fährt mit ihnen an einen früheren Arbeitsplatz, an dem man sich mit der Freundin und Kollegin trifft. So wird man die dunkelsüße Gefahr ruckzuck los und macht der Freundin auch noch eine kleine Freude.
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18. Dezember 2024
Innehalten
Der Advent nimmt Fahrt auf, keine Woche mehr bis Heiligabend. Die Menschen geraten ein wenig unter Druck. Auch mein Pegel steigt, obwohl ich wahrscheinlich zu den Menschen gehöre, die am wenigsten zu tun haben. Wir ME/CFS-Kranken folgen der sogenannten Baseline, dem Level an Alltagshandlungen, die wir auch dann noch bewältigen können, wenn es uns sehr schlecht geht. Bei mir ist das Essen, Hunde und Esel füttern.
Bei mehr Kraft können wir ein wenig über diese Basis hinausgehen. Dadurch konnte ich an der Eselweihnacht teilnehmen. Ob es zuviel war, merken wir dann in den nächsten drei Tagen. PEM. Postexertionelle Malaise. Schwierige Worte. Malaise ist die Verschlechterung. Post exertionell heißt nach der Anstrengung. Kurz PEM. Was so kompliziert zu erklären ist, nennen wir Betroffene der Einfachheit halber Crash.​
Bei mir sind Beine und Gehirn gestern Nachmittag wieder in den Energiesparmodus gegangen, genau 72 Stunden danach. Zeit, erneut innezuhalten. Meine Esel zeigen mir ein weiteres Mal, wie das geht, futtern gemächlich ihre Morgenportion Heu. Draußen vor der offenen Stalltür Dunkelheit. Ich döse auf meinem Platz, dem Stückchen Baumstamm, von dem meine schlappen Beine überhaupt gar nicht wieder aufstehen möchten. Wozu auch? Das Hundelottchen mit der schwachen Blase war um 5 Uhr schon kurz vor der Tür. Das nimmt auch bei mir Druck raus, weshalb ich hier jetzt in aller Seelenruhe dem Kauen der Esel lauschen kann.​
Doch dann verharren die beiden. Obwohl die Futterkiste noch halb voll ist, bewegt sich hier erstmal nichts mehr. Dann drehen sich erst die Ohren, danach die Hälse zur Tür, bevor die ganzen Esel wenden, das Futter zurücklassen. Das macht ja nun wirklich kein Esel dieser Welt freiwillig, wenn es da draußen nicht etwas Superspannendes gäbe, das zu betrachten sich lohnen würde. Rosalie marschiert raus, ich hinterher, sehe natürlich nichts. Schwärze eben. Was immer die Grauen mit den großen Lauschern dort wahrgenommen haben, bleibt mir verborgen. Dann ist es wohl vorbei. Das Futter rückt wieder ins Bewusstsein und vor die Samtasen.
Als sie fertig sind, spazieren sie gemütlich in diese eine bestimmte Ecke des Stalls, wo ich ein paar Äpfelchen auf den Boden plumpsen höre, bevor ich interessant werde. Endlich haben die beiden Zeit und Muße, auch ein wenig an mir herumzuschnuppern. Ein schneeweißes Milchmaul nähert sich meiner Hand. Die Tasthaare kitzeln. Ich kann kaum widerstehen, sie zu streicheln. Aber es nicht zu tun ist, Lotte machen zu lassen, ist genauso reizvoll. Das erlebt man nur, wenn man innehält. So wie es einen die Esel lehren.
19. Dezember 2024
Uhu
Da ist er wieder! Sein Ruf dringt selbst durch die geschlossenen Autotüren, als ich um halb sechs morgens am Winterstall ankomme:
Uuu-hu! Vorne lang und hinten kurz. Zusammen zart, dunkel, schön.
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Ich stelle mir vor, wie er in der alten Fichte gegenüber dem Eselstall sitzt, um bei Maus in Sicht herunter zu segeln. Mit einer eindrucksvollen Flügelspannweite von fast einem Meter sechzig.
Wahrscheinlich ist er tatsächlich eine Sie, jedenfalls dem Ruf nach zu urteilen. Er hat eine andere Betonung. Was ich über sie lese, fasziniert mich. Sie werden 25 bis 30 Jahre alt, fast so alt wie meine Esel. Hoffentlich.
Hat sich ein Paar erst einmal gefunden, bleibt es sein Leben lang zusammen, teilt sich das Revier, hockt aber nicht aufeinander, sondern die beiden jagen und schlafen allein. Vor der Paarungszeit rufen sie dann einander. Das alles unter den Augen und Ohren meiner Esel. Und es sind immer dieselben beiden Uhus, mit denen sie ihre Wiese teilen. Einmal mehr verstehe ich, warum die beiden ihre Nächte so gern draußen unter der Fichte verbringen. Da wird ja allerhand geboten. Wie schön, dass sie pünktlich zum Winteranfang den Durchbruch dorthin geschafft haben, nachdem sie Nacht für Nacht ein Stückchen des Weges, das ich von der riesigen Wiese für sie abgetrennt habe, abweiden durften. Nachts betreiben die Gräser ja keine Photosynthese, die Licht in Kohlehydrate umsetzt. So war die Gefahr für Hufrehe, so hoffe ich, nicht allzu groß.
Nun können die beiden Wüstentiere endlich wieder trocken unter dem geliebten Baum stehen, unter dem das Gras so spärlich wächst wie unter dem Baum im sommerlichen Eselgarten.
Sie werden sich dort in der Sonne aufwärmen, die es im Winter leider nicht bis über die Scheune schafft, in der die beiden wohnen. Dann werden sie zusammen der Uhin lauschen. Uuu-hu!
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(https://www.kindernetz.de/wissen/tierlexikon/steckbrief-uhu-100.html)
20. Dezember 2024
Omas Wärmflasche
Es ist nicht wirklich Omas Wärmflasche, hätte sie vom Alter her aber sein können.
Auf irgendeinem Flohmarkt habe ich sie mal ergattert. An den Kauf kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Sie muss also schon sehr lange bei mir sein und lag, nachdem ich mir nachts einmal daran im Schlaf das Bein verbrannt hatte, eigentlich nur noch sehr dekorativ herum. Oder im Weg.
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Jetzt, wo die Heizung abgestellt ist, ist sie jedoch mein absoluter Liebling geworden. Wenn der Ofen bollert, liegt sie oben auf der Specksteinplatte, wo der Messingverschluss vor sich hin zischelt, je nachdem wie heißt es ihm dort wird. Danach lasse ich den Ofen ausgehen, das Haus kühlt langsam auf vierzehn Grad und weniger ab. Die verzinkte Flasche habe ich dann schon längst in ein Söckchen gesteckt, das ich um sie herum gestrickt habe, und ab damit unter die Bettdecke, wo sie tatsächlich bis zum Abend, oft sogar bis zum nächsten Morgen die Wärme hält, wenn man sie rundherum einmummelt, jede Kaltluftzufuhr unterbindend.
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Wo habe ich bloß gelesen, dass die Autorin in ihrer Kindheit oder Jugend bewusst geübt hatte, Hunger und Kälte auszuhalten? War das Luise Rinser? Auch ich gewöhne mich überraschend gut an die Kälte. Allerdings habe ich mir auch einen dicken Pullover mit Norwegermuster geleistet, der schon beim Anschauen wärmt. Beim Kochen auf dem Herd, der ja glücklicherweise mit Strom betrieben wird, bleibt mir ebenfalls warm und beim Essen ja sowieso.
Wenn ich später vom Mittagseseln wieder nach Hause komme, packe ich mich zum Pacen unter eine warme Decke und denke oft an all die Ukrainer, die auch gerade ohne Heizung dastehen, aber nicht auf die tröstliche Wärme eines Holzofens zurückgreifen können. Erst gestern habe ich in den Nachrichten für Kinder gesehen, wie eine Frau Holz sammelte, um auf dem Balkon ihrer Wohnung im vierten Stock ein kleines Feuer für die Familie anzuzünden.
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Abends, wenn ich schlafen gehe, würde ich ohne das Wärmefläschchen, das muss ich schon zugeben, nicht mehr richtig warm werden, geschweige denn Schlaf finden. Es wandert dann, ein wenig angeschubst, hierhin und dorthin, je nachdem, wo es gerade gebraucht wird. Eine wirklich sehr nette Wärmflasche ist das und der Ofen, auch wenn er wegen der Emissionen in Verruf geraten ist, gerade ein Geschenk des Himmels.
Das Lottchen trägt jetzt nachts seinen Strickpulli und hat ein großes Stück Fell in seiner weidengeflochtenen Katzenhöhle, damit es nicht auskühlt. Josh findet meistens im Lauf der Nacht zielsicher die Wärmflasche, was es mir im Halbschlaf schwer macht, eine bequeme Liegeposition um Wärmflasche und Hund herum zu finden. Aber auch er spendet ja Wärme, meist in meiner Kniekehle. Im Rudel macht man das eben so, wenn es kalt wird.
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Morgen früh fache ich wieder das Holzfeuer an. Ich muss "duschen".
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21. Dezember 2024
Vierter Advent
Vier Kerzen brennen jetzt auf dem Adventskranz, zwei sind noch weiß, die anderen beiden rot, weil die weißen zur Neige gegangen sind. Der letzte Kerzenadventstag mit Mama, wohlig warm.
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Draußen die blaue Morgenstunde. Das nackte Geäst der Bäume zeichnet Muster in den Himmel, der gerade nicht mehr dunkel und noch nicht hell ist. Besonders.
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Der Ofen kann sich auch nicht recht entscheiden, macht es sich heute Morgen richtig schwer. Die Feuchtigkeit der Wäsche, die darüber hängt, ist wohl ins Holz und in die Anzündzapfen gezogen. Aber der Zunder ist trocken, fest verschlossen in seiner Blechbüchse. Mit ordentlich viel Puste wird also doch aus dem ersten Funken eine Flamme und aus der Flamme ein Feuer.
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Der Lungenfacharzt wäre begeistert. Er hat festgestellt, dass mein Zwerchfell nicht gut arbeitet, weshalb ich immer ein bisschen hyperventiliere. Ich muss es jetzt täglich trainieren mit einem Atemtrainingsgerät, Gesang und an feuchten Tagen wohl auch mit Ofenpusten!
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22. Dezember 2024
Licht
Der erste Morgen seit der Eselweihnacht, an dem ich wieder mit Sorgfalt mein Frühstück zubereiten konnte. Zwar musste ich ab und zu die Augen schließen, um die nächste Zutat zu erinnern. Aber ich konnte mir wieder mein Habermus kochen, ohne ein Lebensmittel zu vergessen oder verwechseln.
​Ruhe ist eingekehrt. Das Gehirn funktioniert wieder, gleichzeizig hat sich die Atmung normalisiert, geht plötzlich wieder tief. Wohltat, Erleichterung.
Ich habe bereits alles an mein Morgenlager auf dem Sofa gebracht, was ich dort brauche, sogar an die Lesebrille gedacht. Die Esel sind auch schon versorgt, das Feuer im Ofen nimmt Fahrt auf.
Während sind der weiße
Lottahund auf meinem Schoß einkuschelt wie ein Lamm und Josh sich auf den hochgelegten Beinen ausstreckt, klickert draußen ein Rotkehlchen zur Balz. Es ist einer der wenigen Vögel, die auch im Winter singen. Kurz darauf warnt es vor Gefahr. Eule in Sicht? Wie aufmerksam, dass der hübsche kleine Vogel selbst dann, wenn er verliebt ist und die Hormone ordentlich durcheinander gehen, nicht blind wird für Feinde, die dem Paar ganz schnell ein Ende setzen könnten, zumal es noch dunkel ist. Die Dämmerung beginnt gerade erst.
​Der Glaube ist der Vogel, der das Tageslicht spürt, zitiert mein Lichtungen-Adventskalender Rabindranath Tagore. So, wie Weihnachten heute schon deutlich spürbar wird, am letzten Tag des Advent.
Die Kerzen am Kranz lasse ich heute herunterbrennen, ersetze sie nicht mehr.
Erstaunlich, wieviel Licht sie mir schenkten. Es reichte vollkommen zum Lesen meiner vier Adventskalender und eines anrührend persönlichen Briefes, in den die Freundin ein so hübsches Rotkehlchen hineingebastelt hat. Auch sie liest die Lichtungen.
Morgen wird es noch viel heller. Dann erstrahlen die Lichter am Christbaum und der, dessen Geburt ich feiere, heißt Licht der Welt.
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23. Dezember 2024
Die Nacht vor dem heiligen Abend
Schon gestern Mittag war ich wieder schusselig. Hallo Brainfog, du bist mir so vertraut geworden in den letzten beiden Jahren. Nein, es macht mich nicht traurig, dass er wieder da ist. Ich bin glücklich, dass ich diesen phänomenalen klaren Morgen hatte.
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In der folgenden Nacht erscheinen Menschen in meiner Erinnerung, an die ich schon lange nicht mehr gedacht habe. Das ist ja spannend! Was machen sie dort? Ich selbst spiele nicht mit. Interessiert schaue ich mir die Szenen an. Träume ich? Wache ich? Die Zeit dazwischen, denke ich.
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Die Nacht vor dem heiligen Abend,
da liegt die Lisa im Traum.
Sie träumt von schönen Sachen
und von dem Weihnachtsbaum.
So schreibt es Robert Reinick, weitestgehend.
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Oja, vom Weihnachtsbaum! Beim Weihnachtsbaumverkäufer habe ich letzte Woche einen ganz guten Preis bekommen, denn seine Schafe und meine Esel waren viele Winter lang Nachbarn. So ist das auf dem Land. Er ist nicht besonders hübsch, der Baum, etwas krumm gewachsen so wie ich. Und schmal, nicht ganz so wie ich. Aber gerade richtig für mein kleines Weihnachtswohnzimmer, in dem sich heute Abend die Nachbarn, der Baum und ich fröhlich um den Esstisch drängeln werden.
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Er steht schon da, festlich geschmückt mit seinen Kugeln, Engeln und Strohsternen, in der Ecke vor den bodentiefen Fenstern, in denen sich die Lichter spiegeln. Aber auch wirklich erst heute Abend! Da bin ich in diesem Jahr sehr streng! Ich möchte mich nicht wieder um die Vorfreude bringen wie im letzten Jahr, als der Christbaum schon Tage vor Weihnachten fix und fertig funkelte.
Zwar ist die Nacht vor dem 25. Dezember nicht die historische Geburtsnacht Jesu, aber doch diese so außergewöhnliche geweihte Nacht, die die allermeisten Menschen christlicher Prägung in irgendeiner Weise bewegt und feiern. Dann werden auch an meinem Weihnachtsbahaum die Lichter brennen.
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24. Dezember 2024
Weihnacht
Dieser Moment, wenn eine Dreijährige wie angewurzelt stehenbleibt und wirklich keinen einzigen Schritt mehr weitergehen kann, weil es den Christbaum mit dem lichterfunkelnden Schmuck erblickt hat. Ist doch egal, dass sich hinter ihm Mama und Papa stauen. Das Kind muss jetzt betrachten!
Als sich das stille Staunen löst, kommt aber Leben in die kleine Maus. So kennen wir uns! Es gibt Geschenke, leckeres Essen, Musik und dann endlich wird mal wieder richtig gespielt. Sie spielt natürlich immer, ich aber nicht. Es gibt da einen Koffer voller Spielsachen unter meinem Tagesbett, der hervorgezogen und geplündert wird. Es ist so lange her, dass sie da war, weil sie jetzt in den Kindergarten geht. Da hat man einfach nicht mehr so die Zeit dafür.
Dieses Herumalbern, das Kinderlachen, wie haben sie mir gefehlt. Welch ein Segen, wenn ein Kind unter dem Christbaum jauchzt. Geht notfalls auch ohne Baum.
Die Eltern schaffen es schließlich auch noch ins Wohnzimmer. Wir haben uns die Vorbereitung des Essens geteilt. Raclette gibt es und es ist so entspannt mit den dreien. Die Hunde beziehen augenblicklich Position unter dem Tisch. Kinder krümeln so herrlich, noch mehr als ich. Das ist heute ein Fest auch für das Lottchen und den Joschihund.
Die Esel haben heute Mittag schon Weihnachtsmöhren bekommen. Das sind genauso welche, wie man sie in jedem Geschäft kaufen kann. Nur dass diese speziellen Weihnachtsmöhren am Heiligabend liebevoll verpackt zusammen mit einer Finanzhilfe für der Esel Fußpflege von weiteren Nachbarn geschenkt werden. Noch so ein GlücklichT. Von Herzen Danke!
Zwischendurch werden ihre Eltern aus Kiew zugeschaltet. Wir winken, lachen, wie schön, dass sie an uns denken. Für sie selbst ist ja erst am 7. Januar Weihnachten. Sie feiern noch nach dem russisch orthodoxen Kalender, auch wenn der Präsident das Fest inzwischen auf den 25. Dezember vorverlegt hat, um die europäische Ausrichtung seines Landes zu betonen. Nicht jeder, der mehr als sechzig Jahre lang am Tag nach dem Dreikönigsfest geweihnachtet hat, möchtet mit dieser Tradition brechen.
Deshalb komme ich im Januar in den Genuss eines zweiten Weihnachtsfestes, der ukrainischen Weihnacht bei den Nachbarn.
Und dann wird wieder feste gespielt mit ganz viel kindlichem Gelächter.
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24. Dezember 2024
Reden mit Tieren
Was sonst für mich an Weihnachten Priorität hat, ist dieses Jahr zu kurz gekommen: ich war nicht in der Christmette, mir fehlen die Liturgie und die Weihnachtsgeschichte.
Das Lesen der Geschichte hole ich jetzt nach. Und weil es Christen aufgetragen ist,
allen Geschöpfen das Evangelium zu verkünden, lese ich es heute Morgen den Eseln vor (Mt 16,15).
Da halte ich es liebend gern mit Franz von Assisi, dessen Vogelpredigt bezeugt und in wunderschönen Malereien festgehalten ist. Man denke nur an das brillante Fresco des Giotto di Bondone in der Basilika S. Francesco. Darauf sieht man ihn inmitten einer kunterbunten Vogelschar, ihm zugewandt mit aufmerksam in die Höhe gestreckten Schwänzchen. Man sieht aber auch, dass er
nicht allein mit ihnen war. Wie auch sonst hätte seine Predigt überliefert werden können? Da muss schon ein Mensch zugehört haben. Vielleicht war seine Predigt ja gerade den Menschen gewidmet, die bei ihm waren.
Tiere erleichtern zwischenmenschliche Kommunikation. Das habe ich in der Seelsorge mit den Hunden eindrucksvoll erlebt. Da war diese Heimbewohnerin, die für das unfassbar Unmenschliche, das ihr im kriegsgeschundenen Sudetenland widerfahren war, überhaupt nur dann Worte fand, wenn ein kleiner weicher Josh sich auf ihrem Schoß räkelte, warm, lebendig, liebevoll. Tröstlich.
Etwas weniger schwer wiegend die Kommunikation von uns Hundehaltern, wenn wir mit Josh, jetzt lass doch mal die arme Stella in Ruhe eigentlich nicht unseren Hund ansprechen, sondern die andere Hundehalterin, bei der wir uns für das nervtötende Gekläffe entschuldigen.
In der Franziskuslegende heißt es, die Vöglein hätten Aufmerksamkeit, sogar Verständnis gezeigt.
Ich kann jetzt nicht behaupten, dass die Esel sich interessiert geben, als ich ihnen die frohe Botschaft verkünde, aber ich werde ja auch nicht heiliggesprochen.
Wenn ich jetzt im Winterstall den Eseln vorlese, dann doch vor allem deshalb, damit ICH wieder das Wort höre und verinnerliche. In dieser großen wissend weisen Ruhe der Esel, die die Krippe ihres Herrn kennen (Jes 1,3).
26. Dezember 2024
Besuch am Stall
Die Esel haben Besuch. Zwei Lichtpunkte reflektieren die Strahlen meiner Stirnlampe, als ich im Dunklen um die Stallecke biege. Nanu, welches Tier das wohl ist? Ein Jäger jedenfalls, so wie die Augen zueinanderstehen, nach vorn gerichtet, um Beute fixieren zu können. Die Augen der Weidetiere liegen ja eher seitlich am Kopf. Sie haben, bis auf den toten Winkel hinter ihrem Po, die komplette Umgebung im Blick, um Jäger möglichst früh zu entdecken.
Ein schwarzes Kätzchen sitzt dort auf einem Steinhaufen, von Gestalt ganz ähnlich meiner heiß geliebten Lilli, die ich vor zehn Jahren verloren habe. Sie reagiert nicht auf den Namen, es wäre ja auch viel zu schön, um wahr zu sein, wenn wir uns nach so langer Zeit wiederfinden würden. Sie hat sich so ausgerichtet, dass sie auf den Stalleingang schauen kann und tatsächlich schauen meine beiden, die es vor die Tür gelockt hat, zurück. Das Kätzchen wird die Esel nicht jagen, nein, auch nicht bloß die zotteligen Schwänze. Es weiß ja wohl, was sich zwei Eseldamen gegenüber gehört oder wird es doch rasch lernen, wenn die Eselhufe durch die Luft fliegen. Aber Interesse besteht, soviel lässt sich sagen. Und die Esel fühlen sich natürlich auch nicht bedroht, begrüßen mich, schubbern ihre Stirn an meiner Stalljacke. Alle anderen Körperteile erreichen sie selbst, wenn es juckt, entweder mit ihren Hufen oder den Zähnen. Nur die Stirn eben nicht.
Das ist genauso ist genauso unmöglich wie sich beim Haarewaschen wie vor hundert Jahren zwei Liter Wasser in einer Kanne hinterrücks über den Kopf zu kippen.
Drinnen im Stall ist es jetzt arg kalt. Draußen liegt die Temperatur wieder unter Null und die Stalltür ist ja immer sperrangelweit geöffnet. Zum Füttern schließe ich sie jetzt mal, hole den Gartensack mit dem abgewogenen Heu von der Waage und sehe gerade noch, wie Rosalie zur Tür geht, ihre Nase zwischen Tür und Rahmen drückt und die Tür damit wieder öffnet. Was bin ich stolz auf diese Eselin, auch wenn ich ihr das nicht beigebracht habe. Aber das macht mich eigentlich nur noch stolzer, nämlich weil sie einen eigenen Willen hat - in diesem Fall den sinnlichen Kontakt nach draußen zu halten - nachdenkt und eine Lösung findet.
Ob das Kätzchen noch da ist? Nein, nachdem ich eine halbe Stunde im Stall verbracht habe, warten draußen keine Katzenaugen mehr auf mich. Dafür aber das Glitzern und Funkeln abertausender Raureifkristalle, als der Schein meiner Lampe über die Wiese schweift, verschwenderische Schönheit.
28. Dezember 2024
Ukrainische Weihnacht
War das Feriendorf vor fünfzig Jahren vor allem eine niederländische Enklave, treffen hier heute vielfältige europäische Kulturen aufeinander. Polnische, baltische und rumänische Monteure bewohnen inzwischen die Häuser außerhalb der Saison. Josh liebt sie, nicht nur wegen der deftigen Düfte, die abends aus den Küchen dringen, sondern auch, weil immer mal einer ein paar Streichler für ihn hat.
Dann gibt es natürlich die ukrainisch-deutsche Nachbarfamilie, bei der ich heute zur Feier der Weihnacht eingeladen bin. Wie spät soll ich kommen? Typisch deutsche Frage. Feiertage werden schließlich den ganzen Tag lang gefeiert. Das sagt ja allein schon der Name und es steht auch die ganze Zeit Essen auf dem Tisch.
Am gestrigen Dreikönigsfest, dem ersten Feiertag, war die Familie unter sich. Es beginnt zuhause traditionell mit dem Kirchenbesuch, bevor man sich zum Essen um den Tisch versammelt. Dann wird mit Kutja, der ukrainischen Süßspeise aus Reis, Honig, Rosinen und Mohn, das vorweihnachtliche Fasten gebrochen.
Kutja steht auch heute, am zweiten Feiertag, den man mit Freunden begeht, wieder auf dem Tisch und sogar der Kiewer Opa des Lieblingsnachbarkindes ist da. Er ist - Wahnsinn - mit dem Bus angereist, der Luftraum ist ja kriegsbedingt gesperrt. Dreißig lange Stunden war er unterwegs mit einem Weihnachtsbaum im Gepäck, weil er doch in einer Weihnachts-Fabrik arbeitet. Auch ein paar typisch ukrainische Weihnachtsleckereien hat er mitgebracht, gekocht von der Babuschka zuhause in der Heimat. Wenn man schonmal die Tochter im fernen Deutschland besucht! Es schmeckt himmlisch.
Die Krönung des Mahls sind für mich die Kartoschka, direkt übersetzt Süßkartoffeln. Es sind Klöße, aus einer Masse von gemahlenen Butterkeksen und Walnüssen, Butter, Kakaopulver und süßer Kondensmilch geformt, die in noch mehr Kakao gewälzt werden. Hildegard von Bingen muss da jetzt einfach mal drüber weg lesen. Babuschka knetet noch eine Kirsche in das Herz der Köstlichkeiten hinein. Noch Fragen? So geschätzt zwei Millionen Kalorien pro Portion, die da auf der Zunge schmelzen. Nach zwei Stunden – ich kann mich kaum mehr bewegen – rolle ich den Berg hinunter zu meinem Häuschen, in dem zwei aufgebrachte Hunde Enttäuschung bellen, weil ich ohne sie gefeiert habe. Aber ausnahmsweise habe ich kein schlechtes Gewissen.
Dann fallen - es ist schon dunkel - dicke weiße Flocken vom Himmel, setzen sich als hübsche Mützen auf Laternen und Zaunpfähle, legen einen weichen Teppich auf Wege und Straßen und überstreuen die Esel mit Glitzer. Die ukrainische Weihnacht ist weiß geworden. Die Deutschen feiern einfach zu früh.
7. Januar 2025
Das hopsende Lieblingsnachbarkind
Mama und Papa sind in ein Konzert gefahren. Es ist Mamas Weihnachtsgeschenk für Papa. Paarzeit.
Deshalb darf ich das heißgeliebte Nachbarkind vom Kindergarten abholen. Ich könnte den ganzen langen Tag Kinder zum Kindergarten bringen und wieder abholen. Ich habe das schon geliebt, als ich noch im Kinderheim gearbeitet habe, aber das ist schon 25 Jahre her.
So ein Kindergartenkind GEHT ja nicht einfach zum Kindergarten. Es hüpft und hopst, erklimmt Mauern, auf denen es zur Seiltänzerin wird, den Superzauber-Trinkbecher immer fest mit der rechten Hand umklammert. Es ist manchmal ganz schön kompliziert, damit auf Vorgartenmauern zu klettern. Man weiß ja gar nicht, was man mit der einzigen freien Hand zuerst machen soll, wo man eigentlich drei bräuchte zum Abstützen, Hochziehen, Lisas Hand ergreifen. Dafür ist das Kind mit seinen drei Jahren zwar eigentlich schon viel zu groß, aber es ist trotzdem irgendwie manchmal gut, dass sie da ist, die Hand. Nur so für den Notfall natürlich.
Aber das lässt sich ja lösen und das Kind marschiert los auf der Mauerkrone in seinem rosa Schneeanzug, dass die Schuhsohlen nur so blinken! Die will das Kind eigentlich auch ab und zu mal sehen, wenn es nur nicht immerzu hopsen müsste! Dabei kann es sich nicht auch noch auf die Hacken gucken.
Spielplatz in Sicht. Logisch, dass das Kind hier nicht zum ersten Mal vorbeikommt. Ab auf die Schaukel, draufsetzen, anschubsen lassen, oder lieber doch selber schaukeln. Am besten mit dem Bauch auf dem Sitz, oder Lisa anschubsen. Nein, am liebsten die nikolausfarbenen Handschuhe auf den Sitzbrettern anschieben und ausprobieren, wann sie vom Sitz fliegen. Ziemlich schnell leider, das ist seit heute bewiesen.
Zeit für das Klettergerüst. Rauf und runter, bevor wir zum Feriendorf hinaufkraxeln. Auf dem Weg zu meinem Häuschen nehmen wir den Opa mit, der schon vor dem Haus des Lieblingsnachbarkindes herumspaziert. So ein eingemummeltes Kind auszupacken kann schon mal dauern, was die Hunde ganz zappelig macht. Lotta möchte mithopsen. Weil sie aber nicht mehr hopsen kann, bellt sie stattdessen wie verrückt. Irgendwo muss die Energie ja hin. Josh ist da zurückhaltender. Er will nur gemütlich herumliegen, vorzugsweise an oder auf einem Menschen. Deshalb findet er erst seinen Platz, wenn alle Menschen sich irgendwohin gesetzt haben. Weil das hopsende Lieblingsnachbarkind aber überhaupt nicht daran denkt, sich hinzusetzen, hält sich Josh an Opa. Gut, dass der da ist! Schwups ist Josh oben auf seinem Schoß. Ja, der Josh kann auch hopsen!
Viel zu schnell ist die Zeit vorbei. Opa und ich packen das Kind wieder ein und schon verschwinden die beiden den Berg hinauf nach Hause. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Kind dort weiterhopsen wird.
8. Januar 2025
Schneesel
Verloren sehen sie aus, wie sie da unter der Fichte stehen, wie eingeschneit. Sie hat ihre Zweige, schwer von Schnee, heruntergebeugt bis in die Zaunlitze hinein. Die Spitzen berühren den verschneiten Boden. Ganz nasse Zottelgesichter haben Rosalie und Lotte. Gerade so als hätten sie an den verführerischen Fichtenzweigen gezupft und dabei eine ordentliche Ladung Schnee abbekommen.
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Es schneit schon seit dem ganz frühen Morgen. Der öffentliche Busverkehr wurde eben eingestellt und ich wäre mit meinem kleinen japanischen Eselmobil niemals heil zur Mittagsfütterung hier heruntergekommen. Mein Nachbar ist eingesprungen mit Allradantrieb und Schneesystem. Ich wusste gar nicht, dass Autos Schneesysteme haben können, geschweige denn, was die tun. Aber das Auto fährt! Bergauf, bergab durch fünfzehn Zentimeter Schnee, in glitschige Kurven hinein und stabil wieder heraus. Nie werde ich mehr über diese großen Autos klagen. Oder nur ein ganz kleines bisschen, wenn ich in der Kreisstadt zwischen ihnen nach einem Parkplatz suche.
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Als ich das Heu heraushole, machen sich die beiden Schneesel widerstrebend auf den langen Weg zum Stall. Durch Schnee zu stapfen gefällt ihnen gar nicht. Sie sehen ja nicht wie tief sie hineinsinken, bis die Hufe den puckelig gefroreren Boden erreichen. Schöön vorsichtig.
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Aber am Stall steht der Opa des Lieblingsnachbarkindes, den haben wir mitgenommen. Er hält ein Bündel Heu in der Hand, wofür es sich schon lohnt, mal vorbeizuschnuppern. Bedacht, auf Eselart, nähern sie sich dem Fremden, bleiben in sicherem Abstand stehen. Von hier aus schieben sie teleskopartig erst die Hälse, dann die Nasen und zuletzt die Lippen weiter an den Fremden heran, um die letzten Zentimeter zu überbrücken und ein paar Halme zu erwischen. Zum Knabbern kann man sich ja dann wieder zurückziehen und ausnahmsweise der Schwester das Feld überlassen. Bis man wieder genug Appetit und Mut hat.
Ich mache inzwischen den Stall sauber und schon bald sind wir wieder, dank Schneesystem und bestimmt auch dank umsichtiger Fahrweise, oben auf dem Feriendorfberg. Wie einfach kann es sein. Und wie schön, Freunde zu haben.
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9. Januar 2025